14. Juli 2021 Doris Schöni 0Comment

Zyklon B ist die Bezeichnung für ein 1922 bei der Firma Degesch unter der Leitung von Fritz Haber entwickeltes Biozid. Beim Menschen wird dieses Gas vorwiegend durch Einatmen wirksam, indem es nach wenigen Atemzügen die Zellatmung der Körperzellen zum Stillstand bringt (innere Erstickung). Zwischen 1942 und 1944 wurde es im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau in grossem Umfang zu industriell organisiertem Massenmord benutzt; auch in mehreren anderen Konzentrationslagern wurden Lagerinsassen damit getötet. Die Bezeichnung für das Gift ist zu einem der Synonyme für die Technik und Systematik des Holocaust geworden.

Die Forschung hat seit 1990 osteuropäische Archivbestände einbezogen und alle verfügbaren Dokumente methodisch systematisch miteinander abgeglichen. Damit wurde die bis 1990 gültige Mindestschätzung von 5,3 Millionen jüdischen Holocaustopfern bestätigt und eine Höchstschätzung von mehr als sechs Millionen wahrscheinlich gemacht.

Als sogenanntes „Brausebad“ getarnt, wurden jeweils hunderte von meist jüdischen Männern, Frauen und Kindern in die Gaskammern gebracht und mit Zyklon B „geduscht“. Der Todeskampf dieser Menschen dauerte bis zu 15 Minuten. Die Wände der Gaskammern waren aufgekratzt von den Fingernägeln der Sterbenden, die sinnlos versuchten, dem Gas zu entkommen. Den Toten wurden Eheringe von den Fingern geklaubt und Goldzähne ausgeschlagen, ebenso wurden sie geschoren, bevor sie verbrannt wurden. Es gehörte zur Mentalität der Nazis, alles irgendwie Verwertbare zu sammeln.

Seit Beginn der 1960er Jahre wurde immer wieder über einen angeblichen „Gaskammer-Schwindel von Dachau“ berichtet: Die Gaskammer und die Krematorien seien erst auf Befehl der Amerikaner gebaut worden, um „die Deutschen“ in der Weltöffentlichkeit zu diskreditieren (Barbara Distel: Die Gaskammer in ‚Baracke X‘ des Konzentrationslagers Dachau und die ‚Dachau-Lüge‘. In: Günther Morsch, Bertrand Perz: Neue Studien zu nationalsozialistischen Massentötungen durch Giftgas. Berlin 2011).

Als Holocaustleugnung bezeichnet man das Abstreiten oder weitgehende Verharmlosen des nationalsozialistischen Völkermords an den europäischen Juden. Holocaustleugner prägten dafür den Ausdruck „Auschwitzlüge“, der zum Synonym für ihre Leugnung wurde. Dabei steht der Name des grössten Vernichtungslagers Ausschwitz für den ganzen Holocaust. Holocaustleugnung ist seit 1945 fester Bestandteil rechtsextremer Ideologien und eng mit dem heutigen Antisemitismus und einem auf die NS-Zeit bezogenen Geschichtsrevisionismus verbunden. Die Leugner nennen sich „Revisionisten“ und geben ihre Texte als Forschungsbeiträge aus, präsentieren aber pseudowissenschaftliche Geschichtsfälschung im Dienst von Hasspropaganda gegen Holocaustopfer und deren Nachfahren. Sie haben sich seit den 1970er Jahren zunehmend vernetzt und betreiben auch internationale Propagandakampagnen.

Die meisten Leugner haben die Zeit des Nationalsozialismus nicht erlebt, vertreten aber ähnliche oder gleiche Ideologien. Ihr gemeinsames Merkmal ist der Antisemitismus. Laut Historikern und Erziehungswissenschaftlern in den USA sind ihre Hauptziele: die öffentliche Sympathie für Juden zu verringern, ihren eigenen extremen Ideen Zustimmung und Legitimität zu verschaffen, Rassentheorien der „arischen Rasse“ zu rehabilitieren, den Staat Israel zu zerstören. Neonazis bekennen sich offen dazu, dass sie den Holocaust leugnen, um den Nationalsozialismus politisch wieder zustimmungsfähig zu machen.

Holocaustleugnung ist nicht zwangsläufig rechtsextrem, kann aber nur mit klassischen antisemitischen Stereotypen und Verschwörungstheorien argumentieren. Sie beruht auf der Fiktion eines „Weltjudentums“, das einen weltweiten Geschichtsschwindel inszeniert habe und ihn aufrechterhalte, um seine finstere Agenda umzusetzen. Einige Leugner behaupten, Juden hätten den Holocaust selbst geplant und gelenkt, um Reparationen zu erwirken und westliche Unterstützung für Israel zu verstärken. Antisemitische Verschwörungstheorien, Pseudowissenschaft, Geschichtsrevisionismus und Extremismus gehören zu jeder Variante der Leugnung. Viele Leugner beziehen sich auf die antisemitische Hetzschrift „Protokolle der Weisen von Zion“  von 1918.

In Herkunftsländern der Täter, etwa Deutschland und Österreich, geht es den Holocaustleugnern um Schuldabwehr und Schuldumkehr. Dazu behaupten sie, Juden hätten ihre eigene Vernichtung herbeigeführt oder erfunden, um die Welt moralisch zu erpressen und finanziell auszubeuten. Sie benutzten den Holocaust für politische Vorteile, tabuisierten Kritik daran und verursachten so den Antisemitismus selbst. Diese Stereotype passen zu altbekannten Bildern, dass „der Jude“ ein „raffgieriger Parasit“ und „gerissener Lügner“ sei.  Besonders deutsche Rechtsextremisten vertreten einen rückwärtsgewandten, aggressiven Nationalismus. Sie betrachten die NS-Verbrechen als Hindernis für „deutsche Identität“ und Nationalstolz, entschuldigen ihre Täter, Wegbereiter und Helfer. Sie bestreiten Ausmass und Besonderheiten des Holocaust, um Reparationen zu beenden und ehemalige Ostgebiete des Deutschen Reiches zu beanspruchen. Verdrängung der NS-Zeit, „Schlussstrich“-Mentalität und Erinnerungsabwehr begünstigen dies. Umfang und Durchführung des Holocaust waren so ausserordentlich, dass für viele unvorstellbar bleibt, dass Menschen dazu fähig waren. Dieses psychologische Motiv schliesst an Schutzbehauptungen vieler Deutscher nach 1945 an, wie etwa die Phrase „Davon haben wir nichts gewusst“, und bestimmt auch spätere Generationen mit geringer Kenntnis der NS-Zeit. Nach einer globalen Studie der  Anti-Defamation League von 2013 und 2014 kannten nur 54 Prozent der Befragten den Begriff Holocaust. Davon bezweifelte knapp ein Drittel, dass er tatsächlich geschehen ist.

„Jede Leugnung des Holocaust enthält eine Aufforderung, ihn zu wiederholen“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert