25. März 2019 Doris Schöni 0Comment

Seit zwei Jahren sucht sie verzweifelt, aber erfolglos, eine Tätigkeit als Freelance Journalistin. Ihre Freunde und Bekannten lachen sie aus: „Was? Einen Job als Journalistin? In deinem Alter? Vergiss es!“ Sie ist  nahe am „vergiss es.“

Das schlechte Gewissen meldet sich. Einem jungen Menschen einen Job wegnehmen? Aber: Sie sucht einen „altmodischen“ Schreibjob. Einen, den junge Leute nicht übernehmen wollen. Einen mit heute überholten Schachtelsätzen, mit Fremdwörtern, die eher aus dem französischen, denn aus dem englischen Wortschatz stammen. Einen in einer gepflegten Sprache mit Themen, welche die Jungen nicht interessieren. Zum Beispiel einen, der sich mit der Wichtigkeit der Geschichte befasst. Oder mit der bildenden Kunst, mit klassischer Musik, mit Literatur, mit der von den heutigen jungen Frauen in völliger Unkenntnis ihrer Entwicklungsgeschichte als selbstverständlich beanspruchten Gleichberechtigung. Und, warum auch nicht, mit kulinarischen Höhepunkten jenseits von Hamburgern, Pommes Frites und Ketchup. Mit Reisen ohne Sex, Fun und Shopping, sondern über Kultur, Kunst und Religion eines Landes.

Schreiben ähnelt dem Training im Spitzensport. Wenn man nicht täglich schreibt, gehen einem die Worte verloren. Man beginnt, Themen zu vergessen oder als zu aufwändig zu scheuen. Man ist nicht nur alt, man wird ält gemacht. „In deinem Alter“ wird zum Leitmotiv. Man – wer, die Politik, die AHV, die Bosse? – reduziert die alten Menschen zu Nutzniessern der Jungen, Nutzniesser, die sich gefälligst schön stillhalten und ja nicht aufbegehren dürfen. Das Pensionsalter ist eine heilige Kuh, es muss eingehalten werden. Wo kämen wir denn hin, wenn die Alten auch noch arbeiten möchten? Also werden Wissen, Fähigkeiten und Lebendigkeit blockiert, kleingeredet und lächerlich gemacht. Und die Alten resignieren … .

Es herrscht der Gemeinplatz, alte Leute seien der Informatik abhold, nicht mehr imstande, einen Computer zu bedienen, Internet-Recherchen zu unternehmen, Tram- oder Eisenbahnbillette am Automaten herauszulassen, Handies zu benützen und Konzertplätze online zu bestellen. Wer derart weltfremd ist, hat sein Leben verwirkt. Auf der anderen Seite litten sie nicht unter Massentourismus, kletterten staulos auf mexikanische Pyramiden,  waren die einzigen Besucher in italienischen oder griechischen Museen, mussten weder arrogante russische Touristen oder ebensolche aus den Golfstaaten noch westliche, rundliche und rot verbrannte Unterhemden-Männer in den Ferien erdulden. Und: Noblesse oblige: In der ersten Klasse der Swissair wurden volle Mouton-Rothschild-Flaschen an den Sitzplatz gereicht.

Die Altersleitbilder in den Gemeinden sind längstens veraltet. Alters-Workshops bieten Hlfe zur Vorbereitung des Todes an oder Ratschläge zum besseren Aufstehen im Falle eines Falls. In Alterseinrichtungen motiviert man sie zum Stricken, zum Turnen und zur Teilnahme an Andachten. Man fördert ihre intellektuellen Fähigkeiten nicht. Man weckt sie nicht aus ihrer Lethargie, indem man ihnen geistige Aufgaben stellt. Es wird ihnen keine Liste mit Jobangeboten überreicht, denn sind sie nicht im Ruhestand?

In Rentnerbörsen geht es hauptsächlich um körperliche Tätigkeiten, als ob alle Rentner Arbeiter gewesen wären. Andere Fähigkeiten traut man ihnen nicht zu. Etwa Nachhilfestunden für schwache Schüler, das Katalogisieren einer Privatbibliothek oder eines Gemeindearchivs. Und wie steht es mit den pensionierten Journalisten, die noch arbeiten möchten? Sie sind zu alt für diesen Beruf … .

 

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