29. Juni 2020 Doris Schöni 0Comment

Ich habe über alles geschrieben.

Nein, hast du nicht. Nur über lokalen Mist. Und über eine Sportart.

Nein, das stimmt nicht. Lokale Politik zum Beispiel ist ein Teil der globalen Politik.

Blablabla. Was hat ein Gemeindeparlament mit dem amerikanischen Parlament gemein?

Du willst mich einfach klein haben. Dies hat meinen Schreibfluss auch gestoppt.

Vielleicht hast du bereits über alles geschrieben?

Sag ich doch.

So ein Quatsch. Du hast über vieles auf kleinem Niveau geschrieben. Weiter bist du nicht gekommen.

Was meinst du mit weiterkommen?

Niemand hat dich zu Höherem berufen. Kein respektables Blatt hat dir ein Angebot gemacht. Du bist sozusagen sitzen geblieben auf Kunstausstellungen der dritten Garnitur, auf Bauplätzen mit lächerlich behelmten Politikern, die mit Schaufeln hantierten, auf ereignislosen Parlamentssitzungen und Schülerkonzerten.

Bist du fertig?

Nein.

Was kommt noch?

Die vermeintliche Starjournalistin eines Dorfes ist – aber eigentlich war sie es schon immer – überheblich geworden. Verächtlich gegenüber gewissen Menschen und ihren Tätigkeiten, eingebildet, elitär und arrogant.

Nein, nein. Ich habe doch Menschen inteviewt, die mir völlig fremd waren. Deren Sprache mir zuwider war und deren Mentalität meine Nackenhaare sträuben liess. Ich habe an ihrem Leben teilgenommen und mich nicht über sie mokiert.

Du hast im Glück gebadet, wenn ein altes Fraueli dir an der Aare die Hand drückte und sagte: „Das haben Sie sehr schön geschrieben“. Und ein Porträtierter – von dir als VIP wahrgenommen – sich für das Porträt bedankte.

Ja klar, hat mir das geschmeichelt. Jeder Mensch braucht Anerkennung. Ich habe eine Rolle gespielt, die mir zusagte. Und nun leide ich darunter, dass ich nur wegen meines Jahrgangs diese Rolle nicht mehr spielen kann. Kein Wunder habe ich eine Schreibblockade.

Es gäbe für dich sicherlich Rentnerjobs …

Rentnerjobs! Schau dir einmal die Rentnerjobs, die angeboten werden, an. Alles handwerkliche Tätigkeiten, als ob alle Rentner Handwerker gewesen wären. Vielleicht noch ein Angebot für Kontrolleure bei der AHV. Oder als Dogspazierer. Nannies sind ebenso gefragt. Aber keine intellektuellen Jobs, so als würden nur Handwerker und Grossmuttis alt.

Bescheidenheit, dir fehlt es an Bescheidenheit.

Der französische Schriftsteller und Moralist, François VI.Herzog de la Rochefoucauld (1613-1680) schrieb „Die Bescheidenheit ist nichts anderes als Faulheit, Mattigkeit und Mangel an Mut, so dass man mit Recht sagen kann, dass die Bescheidenheit für die Seele eine Erniedrigung ist“.

Blablabla. Was ein Herzog im 17.Jahrhundert von sich gab, ist völlig veraltet. Heute ist man angepasst und bescheiden. Zudem pragmatisch und agil. Autoritäten affin, du weisst, was ich meine. Gegen Windmühlen zu kämpfen, ist lachhaft. Man ist konsensorientiert  und der Konsens in Person.

Wozu?

Wozu? Um ein harmonisches, ausgeglichenes Leben zu führen. Um eine Work-Life-Balance zu erreichen. Um achtsam mit sich und den anderen umzugehen. Um seine Mitte zu finden …

So ein Quatsch. Die Mitte des Menschen, erkläre mir bitte, was das bedeutet.

Die innere Mitte ist das Gefühl zu mir selbst, das, das aus dem Herzen kommt. Im Prinzip ist es die Liebe zu mir selbst. Damit meine ich nicht Narzissmus, also übertriebene Eitelkeit. Sondern einen Zugang zum eigenen Herzen und eine gewisse Selbstakzeptanz. Je nachdem, wie stark diese Liebe zu sich selbst ausgeprägt ist, ist man in seiner inneren Mitte oder man ist es eben nicht. (von Christiane Gottschalk Steinbauer).

Was fange ich mit einer Selbstakzeptanz an, wenn mir meine Umgebung diese Akzeptanz verweigert? Abgesehen davon: Wie kann ich mich lieben, wenn mich so viele Personen verachten oder hassen oder mich verurteilen? Unsere Kontakte zu anderen Menschen bestehen doch aus Interaktionen.

Lass doch deine ewige Psychologie aus dem Spiel. Dieses Intellektuellen-Spiel. Heutzutage muss man fühlen, nicht denken. Wenn man denkt, so denkt man in einfachen Kategorien. Sich als Ganzes fühlen, eine Symbiose von Körper und Geist. Wenn man sich liebt, lieben einen auch die Mitmenschen.

Als Ganzes ….. . Also zurück zu Platons Kugelmenschen. Mit dem Unterschied, dass man seine andere Hälfte nicht irgendwo auf der Erde findet, oder auch nicht, sondern in sich selbst. Warum ist Platon eigentlich nicht darauf gekommen? Er war doch sicher intelligenter als diese Selbstfindungs-Gurus.

Ich wiederhole mich: Verächtlich gegenüber gewissen Menschen und ihren Tätigkeiten, eingebildet, elitär und arrogant bist du geworden. Deshalb hast du eine Schreibblokade.

Bist du fertig?

Ja.

 

 

 

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