8. Juli 2018 Doris Schöni 0Comment

In England stammt der Ausdruck aus der Zeit der adeligen Damen, die sich ihr Gesicht schminkten. Diese Schminke, die durch das Sitzen am Kaminfeuer aufgeweicht wurde, musste mehrmals täglich erneuert werden, weil die Damen „ihr Gesicht verloren“.

Das Gesicht zu verlieren bedeutet, den Respekt, die Geltung, das Ansehen zu verlieren, sich blosszustellen. Anfangs des 20. Jahrhunderts hatte der Begriff noch eine andere Bewandtnis, nämlich sein Gesicht zu verlieren bedeutete, nicht mehr sehen können, blind werden. Man konnte auch etwas aus dem Gesicht verlieren (aus den Augen verlieren, also nicht mehr sehen). Diese alten Wendungen haben mit der heutigen Redensart nichts zu tun, sondern diese wurde aus dem Englischen (to lose face) entlehnt und seit etwa Mitte des 20. Jahrhunderts geläufig. Die englische Redewendung wiederum wurde im 19. Jahrhundert aus dem Chinesischen übernommen.

In der chinesischen und thailändischen Kultur bedeutet ein Zornausbruch in der Öffentlichkeit, das Gesicht zu verlieren. Dass jemand sein Gesicht nicht verlieren will, sei das Argument aller schwachen Leute. Man will nach aussen das Gesicht wahren; Oft wollen Menschen Fehler nur deshalb nicht eingestehen, weil sie das Gesicht wahren wollen.

Warum viele Menschen es nicht ertragen können, ihr Gesicht zu verlieren, beruht auf verletzenden Erfahrungen in der Kindheit.
Sich zu blamieren oder das Gesicht zu verlieren, gilt als eine der verachtenswertesten Verhaltensweisen in der heutigen Gesellschaft und jeder versucht, es tunlichst zu vermeiden. Das Gesicht nicht verlieren zu wollen (oder können), heisst, anders sein zu wollen, als man ist und dafür ist man bereit, seine eigene Identität zu verleugnen. Es gehört nicht zu den Tugenden des modernen Menschen, Fehler einzugestehen, also als Versager dazustehen und dem Spott und der Häme der Umgebenden ausgeliefert zu sein.

Es braucht Grösse und Mut, sein Gesicht zu verlieren … .

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