Für eine geplante orthopädische Operation war ein EKG angesagt. Der Hausarzt warf einen Blick darauf und erklärte trocken, ich hätte einen – kleinen – Herzinfarkt erlitten. Ob ich nichts davon gemerkt habe? Ich verneinte. Nie etwas derartiges erlebt. Also überwies er mich an einen Kardiologen. Das ist an und für sich nichts Dramatisches. Dramatisch ist,
dass ich mir unheimlich geworden bin,
dass mir eine diffuse Angst im Nacken sitzt,
dass mir bewusst ist: Herzinfarkte kommen selten allein,
dass mich daher der nächste Infarkt urplötzlich ereilen könnte,
dass ich gewahr wurde, ernsthaft bedroht zu werden,
dass mein Herz weder zu schnell, noch zu langsam schlägt,
dass ich an die Anekdote über Albrecht v. Hallers (1708-1777) Tod denke:
auf dem Totenbett kontrollierte er sein Herz und sagte „il bat, il bat, il ne bat plus“
und sein Leben aushauchte,
dass mir der Spezialist das Rauchen verbietet,
dass er mir rät, gesünder zu leben: „Ändern Sie Ihren Lifestyle“
dass ich dann auf meine täglichen, geliebten, dick bebutterten Sandwiches verzichten müsste,
dass ich meine Unachtsamkeit und Sorglosigkeit gegenüber meinem Körper verlieren könnte,
dass ich hypochondrisch werden könnte,
dass ich mich, wie viele alte Leute, nur noch mit meiner Gesundheit beschäftigen würde,
dass dadurch mein Intellekt schrumpfen würde,
dass ich mich schonen müsste,
dass ich mich zum ersten Mal überr Herz-Kreislauf-Stillstand informiere und vernehme: „Bei Frauen, Diabetikerinnen und Diabetikern und älteren Personen können folgende Symptome als alleinige Warnsignale auftreten: Atemnot, unerklärliche Übelkeit und Erbrechen, Druck in Brust, Rücken oder Bauch“,
dass kein einziges dieser Symptome je bei mir aufgetreten ist,
dass ich beim steilen Aufwärtsgehen schon hin und wieder anhalten muss, aber nicht aus Atemnot,
dass meine permanente Wut und Empörung sowie mein Zorn und Frust das Herz allzu sehr belasten könnten,
dass ich nicht mehr bin, wer ich bin oder dachte, zu sein.
Düstere Aussichten. Nicht wahr?