7. August 2021 Doris Schöni 0Comment

Die Rede ist derzeit nur noch von der Covid-Seuche. Vergessen werden dabei die anderen Seuchen. Die Mäuse-Seuche, zum Beispiel. Diese ist wohl weniger somatisch als Corona, aber wer weiss das wirklich.

Am Anfang hatten wir grosse Freude am kleinen Mäuschen, das oft bei Freiluft-Nachtessen einen Holzstapel verliess und ungeniert  umherlief. Wir fütterten es mit Brotbröckchen und waren entzückt über seine Knopfäugchen. Nachdem Freiluft-Nachtessen nicht mehr angezeigt waren, vergassen wir das Nagetier. Uns vergass es nicht.

Im Frühjahr tummelte sich plötzlich eine Schar Mäuse im Haus, vorwiegend in der Küche. In welcher Weise der Mäusestaat organisiert ist, entzog sich der Kenntnis der Hausbewohnerin. Also liess sie die Mäuse gewähren. Es wurden deren immer mehr. Nach und nach zeigten sich auch die von ihnen verursachten Schäden. Brote verwandelten sie in Höhlen. Früchte und Rahm hatten es ihnen angetan. Sie knabberten Käse, Gemüse, Knäckebrot, Biscuits, Butter, aber auch Holz, Papier, Kehrrichtkübel-Etiketten, Textilien und Teppiche an. Sie frassen Hand- und Tischtücher, Putzschwämme und auch Blusen an. Als sich die Bewohnerin wunderte, dass die Tetrapackung Kochwein immer leer war, bemerkte sie Löcher in der Packung: Die Mäuse soffen den Weisswein aus und später las man auf Google, dass alkoholiserte Mäusemännchen zur Promiskuität neigen.  Der Zusammenhang zwischen leeren Weissweinpackungen und einer Unmenge von kleinen Mäuschen war also geklärt.

Nachdem sie einen Einstieg in den Kühlschrank geknabbert hatten und sich dort im Schlaraffenland wähnten, musste endlich eine Lösung gegen die Mäuseinvasion gefunden werden. Nichttötende Fallen wurden aufgestellt, in denen hin und wieder eine Maus sass, die dann irgendwo im Wald freigelassen wurde. Das Sprichwort „mit Speck fängt man die Mäuse“ stellte sich als total falsch heraus; die Muriger Mäuse waren Vegetarier, ob vegan liess sich nicht eruieren. Die Fallen waren ein Flop. Also kaufte man Geräte mit hohen Frequenzen, eine Mikrowelle mit einem für das menschliche Ohr unhörbaren Ton zeitigten keinen Erfolg. Die Mäuse waren überbegabt, halbe Genies auf dem Weg, Mensch zu werden.

Der Appetit auf Papier zeigte sich in Millionen von Fetzchen. Diese Fetzchen blockierten den Drucker; er versagte seinen Dienst. Mit Hilfe eines Handbesens, einem Pinsel und des Staubsaugers konnte der Drucker nach stundenlanger Behandlung wieder betriebsbereit gemacht werden. Was das Fass schlussendlich zum Überlaufen brachte, waren die überall hinterlassenen Fäkalien, sie befanden sich in Pfannen,Tassen. Gläsern, Pyrex-Schalen, auf Tellern, Pfannendeckeln und Putzschwämmen. In den Küchenschubladen fanden sich zentimeter hohe Holzraspeln. Als einzig sicherer Ort erwies sich der Backofen, seine Metallkonstruktion verunmöglichte das Eindringen der Nagetiere.

Die Bewohnerin des Mäusehauses stand zwar nicht am Rande eines Nervenzusammenbruches, aber die Mehrarbeit durch die Mäusemeute empfand sie als Zumutung. Nun musste eine professioneller Mäuserer sich dieser Sache annehmen. Die Bewohnerin suchte einen Kammerjäger und wurde fündig. Der Fachmann kam und sah die Mäuse-Kolonie sofort. Er  brachte an strategisch wichtigen Stellen Fallen an, die einen mit einem Medikament versehenen Getreideriegel enthielten. Das Medikament bewirkte Schläfrigkeit, die dann in den Tod überging. Diese Methode sei schmerzlos und stehe im Einklang mit dem Tierschutzverein, versicherte der Kammerjäger. Die Toten aus den Fallen müssten entsorgt werden, er komme in vierzehn Tagen wieder.

Es dauerteTage, bis sich die Mäuseinvasion sukzessiv dezimierte. Die Getreideriegel verschwanden, aber die Fallen waren leer. Eine tote Maus auf dem Küchenboden neben einer Falle rührte die Bewohnerin beinahe zu Tränen. Entschuldige Maus, flüsterte sie, hoffentlich warst du betrunken.

 

 

 

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