24. November 2017 Doris Schöni 0Comment

Pflegen Sie Todesanzeigen in Zeitungen auf Gehalt und Inhalt anzusehen? Die meist verwendete Formulierung lautet:  Nach einem erfüllten, oder nach einem reich erfüllten Leben …  . Was sagt dieser Spruch  aus? Was ist ein reich erfülltes Leben? Haben nicht alle Menschen ein erfülltes Leben oder meinen, es gehabt zu haben? Ein unerfülltes Leben wird als ein gescheitertes Leben angesehen. Was aber bedeutet ein gescheitertes Leben? Wenn Wünsche nicht in Erfüllung gehen? Wenn man versagt hat? Wenn einem das Glück nicht hold war?     

In Todesanzeigen kommt das Wort Sterben selten vor. Er oder sie sind gegangen, haben eine andere Dimension erreicht oder sind eingeschlafen (friedlich). Einschlafen ist ein beliebter Ausdruck, aber ein falsches Verb. Wer einschläft, erwacht wieder. Man schläft also nicht ein, wenn man stirbt. Man stirbt bestenfalls im Schlaf. 

Todesanzeigen sind Euphemismen. Der Verstorbene war ein treubesorgter Vater und Ehemann, treubesorgt, was für ein schwülstiger Ausdruck. Oder eine hingebungsvolle gütige Mutter. Alle Dahingegangenen werden nie vergessen und man trifft sich allenfalls wieder. Wo? Im Himmel, in der Hölle oder auf einer weissen Wolke? Woher kommt die Gewissheit des sich Wiedersehens? Aus der Bibel oder aus dem dringenden Wunsch, nach dem Tod irgendwo aufgehoben zu sein und alle Verwandten, auch die unangenehmen, wiederzusehen? Aus den Todesanzeigen in Zeitungen kann man mutmassen, dass die Tatsache, dass nach dem Tod eines Menschen lediglich ein klägliches Häufchen Asche bleibt und sonst gar nichts, nicht akzeptiert wird.                

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