26. Juni 2017 Doris Schöni 1Comment

Stellen Sie sich vor: Ihnen wurde Unrecht getan. Sie wehren sich dagegen. Schreiben Briefe und E-Mails, die Antworten erheischen. Doch diese Antworten bleiben aus. Die Adressaten schweigen. Das Thema wird totgeschwiegen.

Totschweigen ist eine beliebte Taktik.  Es ist der Wunsch, etwas Geschehenes ungeschehen zu machen. Ein psychologischer Definitionsversuch von Totschweigen gilt als persönlich motivierte Verdrängung, Vermeidung, Unterdrückung des Ausdrucks als Folge von Angst, Druck von innen, Furcht, Furchtsamkeit, Angst, Ängstlichkeit, Verängstigung.

Nicht antworten, nicht beantworten, nicht verantworten, eine Antwort schuldig bleiben, im Unklaren zurücklassen, verunsichern, in der Gummizelle des Schweigens keiner Antwort würdig erklären. Etwas nicht erwähnen, um den Eindruck zu erwecken, es sei gar nicht existent; dafür sorgen, dass jemand, etwas in der Öffentlichkeit nicht genannt, bekannt wird.

Über etwas nichts sagen (damit die Person oder Sache vergessen wird), um ihn oder es in Vergessenheit geraten zu lassen, bewusst nichts sagen, mit Verachtung strafen, mit Schweigen töten, mit Schweigen foltern, bestimmte Fragen nicht stellen dürfen,
keine lästigen Fragen stellen. Schweigen als Folter. Eine unangenehme Angelegenheit durch Schweigen vernichten.

«Es heisst, dass man eine Idee oder eine Person am besten demontieren kann, indem man sie überhaupt nicht mehr erwähnt. … Ignorieren, nicht reagieren und totschweigen. Fazit: Entwertung, Ausgrenzung, Totschweigen.

Welche Ohnmacht das Totschweigen doch auslöst. Labile Persönlichkeiten treibt es möglicherweise zum Terrorismus. Psychische Gewalt führt zu physischer Gewalt. Frauen neigen eher dazu, diese physische Gewalt nach innen zu richten. Vorbei ist das Rittertum, die Ritterlichkeit, eine Fehde mit dem Schwert auszutragen. Der Mensch ist zivilisiert vernünftig geworden. Er wirft den Fehdehandschuh nicht mehr, er steckt ein, duckt sich, akzeptiert und resigniert.

Totschweigen ist ein Machtmittel jener, die das Sagen haben. Totschweigen entbehrt jeder Menschlichkeit.  „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf“ (Christian Morgenstern, 1871-1914)

 

 

 

 

One thought on “Totschweigen – „höchste Form der strukturellen Gewalt“

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