22. Februar 2022 Doris Schöni 2Comment

Josef Stalin dekretierte während des Zweiten Weltkriegs die Vernichtung der sowjetischen Störenfriede und Feiglinge. So erstickte er jeden Widerstand aus eigenen Reihen im Keim.

Fast achzig Jahre nach der Kapitulation Deuschlands werden Störenfriede und Feiglinge nicht mehr hingerichtet, aber kalt gestellt. Der Begriff „Feigling“ hat sich verändert und ist kein wirkliches Schimpfwort mehr, da Feiglinge auch Heldentaten vollbringen können. Störenfriede sind noch immer Störenfriede, auch wenn Synonyme für sie verwendet werden. Sie, diese Querulanten, diese Unruhestifter, diese Meckerer und Kritiker nerven jene, die gedankenlos durchs Leben stolpern, die nichts in Frage stellen, denen es hauptsächlich um sich selber geht und deren Horizont von Vorurteilen und Obrigkeitsgläubigkeit vernebelt ist.

Erinnern Sie sich an Stéphane Hessels Essay „Indignez-vous!“ („Empört Euch!“), den er als 93-Jähriger 2010 veröffentlichte? Von dieser schmalen Publikation wurden in Frankreich über zwei Millionen Exemplare verkauft; „Indignez-vous“ wurde in mehr als 40 Sprachen übersetzt. Stéphane Hessel war ein Störenfried, da er die trägen Bürger aus ihrem Schlaf riss, indem er scharfe Kritik an aktuellen politischen Entwicklungen übte und sie zum Widerstand aufrief. Stéphane Hessel war ein französischer Diplomat, Lyriker, Essayist Diplomat und politischer Aktivist. Er kämpfte für die Résistance und überlebte das Konzentrationslager Buchenwald. Stéphane Hessels globalisierungskritischer Imperativ war vor allem ein zorniger Appell gegen die Gehorsamkeitsproduktion
der Zivilgesellschaft. Mit seiner kleinen Schrift »Empört Euch!« rüttelte er gegen heutige Gleichgültigkeiten auf, erregte die Gemüter, wie man es sonst nur aus reichlich vergangener Zeit kennt. In hohem Alter wurde er richtig zornig.

Stéphane Hessel war ein Störenfried. Er hätte sich im Alter zurücklehnen können, anstattt mit 93 Jahren eine Streitschrift zu veröffentlichen, die vor allem von jungen Menschen begeistert aufgenommen wurde. Er schrieb gegen Gleichgültigkeit und Resignation der modernen Gesellschaft. In der jetzigen Gesellschaft gibt es wenige Störenfriede – ausserhalb der Politik. Der junge Mensch von heute kümmert sich hauptsächlich um sich selbst, um seine finanzielle, berufliche und familiäre Zukunft. Er und sie wünschen sich ein behagliches, glückliches Leben ohne Umweltprobleme, Kriege und Pandemien. Wenn man beobachtet, wie sehr der jungen Generation unter Covid-19 und den daraus folgenden Einschränkungen gelitten hat, so scheint sie die Stärke nicht zu haben, um als Störenfried aufzutreten.

Wer zum Beispiel in einem Verein als Störenfried in Erscheinung tritt, der wird mit einem Rede-und Scheibverbot belegt, sprich: abgewimmelt. Die Vereinsobrigkeit und die Mitglieder sind zu feige, um sich einen Spiegel vorhalten zu lassen. Es geht ihnen hauptsächlich um das Entgelt, das sie erwirtschaftet haben. Die Angst, das „Gesicht zu verlieren“, grassiert nicht nur in der Politik, sondern auch in Vereinen. Dass der Störenfried sein Gesicht verlieren könnte oder kann, muss ihm schnuppe zu sein. Es geht ihm ja nicht um ihn, sondern um politische, soziale, menschenrechtliche oder kulturelle Angelegenheiten. Störenfriede oder autoritätsgläubige Menschen?

2 thoughts on “Störenfriede und Feiglinge müssen vernichtet werden (Josef Stalin)

    1. Ich wiedeerhole: Was das Lübü für mich bedeutet? Das kann ich Dir genau sagen: Ich hege – eine kleine – Hoffnung, dass sich das Lübü einmal seiner Werte von früher erinnert, nämlich des Ideellen vor dem Materiellen. Der Menschlichkeit, der Empathie, des Humors, des Respekts für einander.

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