10. März 2022 Doris Schöni 0Comment

Das Sprichwort „Schuster bleib bei deinen Leisten“ geht auf eine Anekdorte über Apelles (war einer der bedeutendsten Maler des antiken Griechenlands und des ganzen Altertums; er war ein Zeitgenosse Alexander des Grossen, geboren etwa 375–370 v. Chr., gestorben gegen Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr.) zurück. Danach hätte er sich gerne hinter seinen Bildern versteckt aufgehalten, um auf Urteile der Betrachter zu lauschen. Einst hätte ein Schuster bemängelt, die gemalten Schuhe hätten eine Öse zu wenig. Apelles habe das Bild korrigiert. Doch nun habe der Schuster auch etwas an den Schenkeln auszusetzen gehabt. Daraufhin habe Apelles ihm entgegnet: Was über dem Schuh ist, kann der Schuster nicht beurteilen. (Wikipedia)

Was bedeutet dieses Sprichwort heute? Gerade in der heutigen Zeit, in der über Handy, über Google etc. sozusagen alle Fragen beantwortet werden können, massen sich viele Menschen zu, bewandert in Medizin, Naturwissenschaften, Bildender Kunst, Musik (keine klassische), Architektur, Psychologie, Pädagogik undsoweiter zu sein. Doch ihr Nachschlagen gibt ihnen lediglich einen kleinen Splitter der ganzen Materie. Diese Menschen weisen ein Zehntelwissen auf, aber trotzdem mischen sie sich in Gespräche über solche Themen ein und geben einen einzigen aufgeschnappten Satz zum besten. Internet gaukelt vielen Benützern vor, Wissen zu vermitteln. Es ist aber kurzlebiges Wissen. Nach der Definition des Begriffes erlahmt meistens die Neugierde, so dass das Lesen des Artikels bestenfalls diagonal erfolgt. Nach einigen Minuten erinnert man sich noch an die Definition.

Es steht wohl ausser Zweifel, dass die schweizerische Gesellschaft demokratischer geworden ist. Es gibt zwar noch Vereine, Gesellschaften und Bünde, die lediglich sehr reiche, genealogisch bedeutende, einer Berufsgruppe zugehörige oder Golf spielende Menschen in ihren Kreis aufnehmen. Aber vom Fechtklub über die Université des Aînés bis zum Ornithologenverein: bei ihnen spielen weder Vermögen noch Beruf und noch weniger ihre Herkunft eine Rolle. Das ist löblich, aber birgt auch Unannehmlichkeiten. Da sprechen zwei Kenner über einen Pianisten, und ein Dritter greift ins Gespräch ein mit der Aussage, der Pianist spiele schlechter als im vergangenen Jahr. Die beiden Kenner verstummen und wagen nicht, dem Vereinskollegen zu widersprechen. Man will ja hierzulande Ausbildung- und Berufsunterschiede nicht an die grosse Glocke hängen. Das zeigt sich übrigens auch im Sprachgebrauch: man passt sich eher nach unten an, als dass man sich nach oben orientiert. Sollte jemand Apelles‘ Sprichwort zitieren, so käme das einer nicht mehr gutzumachenden Beleidigung gleich.

Es lebe die Demokratie. Es lebe aber auch der Unterschied.

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