Im Augenblick sind die Jungen nicht gut zu sprechen auf die Alten. Um die alten Menschen vor einer Corona-Ansteckung zu schützen, werden die jungen Menschen in ihrer Freiheit arg eingeschränkt. Dass sie deswegen auf vieles verzichten müssen, ärgert sie. Wenn man jung ist, muss einen solche Massnahmen masslos nerven.
Die alten Menschen ärgert es, dass alle ausnahmslos in die selbe Kategorie eingereiht werden, nämlich in die Risikogruppe. Selbst bei gewissen physischen Beeinträchtigungen ist das biologische Alter nicht unbedingt zutreffend. Wenn die Beine mitunter dem Geist hinterherhinken, deutet das nicht auf ein geschwächtes Immunsystem. Bei der Zuordnung Risikogruppe wurde lediglich die körperliche Verfassung, nicht aber die geistige, in Betracht gezogen. Leuchtet es nicht ein, dass abgelöschte, resignierte, demütige, angepasste, desinteressierte Alte eher vom Virus erfasst werden, als jene, die noch immer das hohe C des Intellekts erreichen?
Wie in solchen Situationen üblich, sucht man in der Vergangenheit und vor allem in nicht-europäischen Legenden nach Lösungen. Man erinnert sich der Inuits, die ihre Alten auf Eisschollen in den Tod treiben. Oder die Japaner, die angeblich ihre über 70-Jährigen auf Bäume klettern lassen, um sie mit vereinten Kräften von den Bäumen zu schütteln. Jene, die nicht herunter fallen, lässt man ein Jahr lang weiter leben. Und dann jene Alten, die man mutterseelenallein in die Berge schickt, auf dass sie dort erfrieren. In der Schweiz erwägt man, alten Menschen, die am Corona-Virus erkrankt sind, Beatmungsgeräte vorzuenthalten, und zwar zugunsten von jüngeren Erkrankten. Am liebsten wüde man sie wegsperren, gettoisieren.
Ist es nicht sonderbar, dass man die alten Menschen medizinisch voll versorgt, ihnen Cremen und Salben für Haut und Zipperlein empfiehlt, ihnen Fitness ans Herz legt, sie aber intellektuell verdursten lässt? In Alterseinrichtungen wird mit ihnen gestrickt und gebastelt, gebetet und Ping-Pong gespielt, zu Weihnachten Güezis hergestellt, aber keine Schreib- oder Synonymenwettbewerbe veranstaltet, ihnen das Universum von keinem Astronomen erklären lassen, nicht über den Nationalsozialismus debattiert. Zur intellektuellen Förderung gäbe es noch hundert Ideen.
Warum wehren sich die alten Menschen nicht gegen Diskriminierung und Infantilisierrung?