ich blind, scheinblind. Mein zerklüftetes Gesicht ist nicht mehr zu ertragen. Es ist nicht würdig, auch nicht edel. Es ist schlicht hässlich.
Ich habe es, dieses Gesicht, nie vorbeugend gesalbt und mit teuren – ohnehin wirkungslosen – Cremen eingeschmiert. Weder Gurken aufgelegt noch Froschextrakte eingerieben über Nacht, Nacht- und Tagespflege ignorierte ich, aber eines, nur eines war ein MUSS für mich: braun musste es sein. Man warnte mich vor Konsequenzen – „die Haut vergisst nie“ – , die ich in den Wind schickte, und nun? Eigentlich trafen sie mich recht spät, die Haut „vergisst“ seine Gene nie. Im grunde genommen habe ich nur die schlechten Gene beider meiner Eltern übernommen. Und da sie nicht so lange lebten, ergeben sich auch keine Vergleiche.
Die Mainstreampsychologie-Sprüche wie „wenn du dich nicht liebst, so kannst du auch keinen anderen lieben“ hilft jenen, die sich nie mit Psychologie befasst haben. Mir scheint, dass jene, die sich lieben, keinen anderen lieben können. Sie sind derart mit sich selbst und ihrem Bild beschäftigt, dass kein Platz mehr frei ist, andere zu lieben.
Wie oft jeden Tag beschimpfe ich mit „du blöde Kuh“, ich hasse mich für meine Vorurteile, die ich doch so vehement verurteile, für meine Einbildung, meine Überheblichkeit, meine Verachtung für „die kleinen Leut“, meine Beharrlichkeit, anders als alle anderen sein zu wollen, meine soziale Inkompetenz, die mit dem Alter zunehmende Misanthropie. Um mit den Adjektiven „unvernünftig, verstockt, beratungsresistent, einsichtslos, uneinsichtig, unbelehrbar, unverbesserlich“ zugemüllt zu werden.
Bis jetzt war die Rede nur vom Gesicht. Den Rest verschweigt des Sängers Höflichkeit. Ich habe mich verschlampt. 15 Jahre Spitzensport und fertig, nein, nicht ganz, ich war eine verantwortungsvolle Hundespaziererin, ob mit fremden Hunden oder mit meinem eigenen.
Warum schreibe ich eigentlich all diesen Quatsch? Vielleicht liebe ich mich ja doch … .