Stellen Sie sich vor: Das Organisationskomitee der Ausstellung „Kunst zum Anfassen“ veranstaltete einen Apéritif an einem warmen Herbsttag im Garten der Villa Mettlen. Sehr viele Besucher fanden sich ein, und als bekannt wurde, dass ein ein Künstler mit einer Fangemeinde von 30 Personen erscheinen würde, verdoppelte das OK die Menge der belegten Brötchen, Sandwiches, Eier, frischen Früchte und Friandises. Nach knapp einer Stunde waren die Platten und Schalen leer.
Pech für einen Besucher, eine Berühmtheit unter Vernissage-Habitués, berühmt für sein homerisches Gelächter und noch mehr für seinen parasitären Appetit. Dieser Besucher kam eine Stunde zu spät. Die Platten und Schalen waren, wie erwähnt, ratzekahl geräumt. So irrte er unglücklich zwischen den Tischen im Peristyl umher, tupfte da einen Krümel, dort ein abgefallenes Stückchen Friandise auf, doch dann entdeckte sein Sperberauge ein gekochtes Ei, von Schuhen zerquetscht, am Boden. Er spurtete los, doch eine der Helferinnen kam ihm zuvor und warf das beschädigte Ei in den Kehrrichteimer, in dem es zwischen verschmierten Servietten und Zigarettenstummeln versank. Wie heisst es doch? „Schadenfreude ist die reinste Freude“ (Deutsches Sprichwort).
Eine Firma feierte seinen Einstand unter dem Motto „Oktoberfest“. Ein von Pferden gezogener Bierwagen rollte herbei, die Herren in zivil begrüssten sich jovial, die Bierseligkeit war eingeleitet. Da erschien der Gemeindepräsident in authentischer bayerischer Trachtenkleidung: Nigelnagelneue Lederhose „Fritz“ (Kostenpunkt: 189,00 Euro), Trachtenhemd, Loferl und Kniestrumpf mit Zopfmuster. Trug er nicht auch einen Berghut mit Gamsbart? Als ihn eine vorwitzige Frau fragte: „Meine Güte, wie siehst denn du aus“? wandte er sich indigniert ab und verzog sich hinter den Biertresen.
Ein bekannter Restaurateur lud seine Stammgäste zu einem „Apéritif riche“ ein. Die Gäste kamen aus dem ganzen Kanton. Es waren durchs Band weg distinguierte Damen und Herren, wohlbetuchte Ehepaare mittleren Alters, Frauen im Sonntagskleid und ihre Angetrauten im dunklen Anzug und Kravatte. Die zusätzlich aufgestellten Tische bogen sich unter der Last der aufgetragenen Köstlichkeiten aus Italien. Nachdem sich zwei Kellner und der Restaurateur mit Platten von dampfenden Muscheln, die von gierigen Händen unverzüglich in den Mund geschoben wurden, zwischen den Tischen durchgeschlängelt hatten, kam der grosse Auftritt der Bauchtänzerin schweizerischer Herkunft. Ihr nackter Bauch wand sich zwischen Tischen, Stühlen und Stammpublikum und kreiste lasziv vor sich rötenden Männerbäckchen und immer verzerrter werdenden Frauenmienen. Nach Ende des orientalischen Tanzes trieben die liebenden Gattinnen ihre Gatten an die Tische zurück und zischten halblaut. Es gab auch Frauen, welche während der Darbietung die Hände vors Gesicht schlugen.