Bin ich nicht ein Opfer meiner selbst, wenn ich dauernd in Geldnöten stecke? Mein ehrenamtlicher Finanzberater hat recht, mich mit Vorwürfen zu überschütten, da ich einfach zu viel Geld verpulvere. Er hat auch recht, mir vorzuwerfen, ich sei uneinsichtig. Ich habe es nicht gelernt, ich lerne es nicht, mit weniger Geld als früher auszukommen.
Mein Finanzberater behauptet, ich verfüge über mehr Geld als viele vierköpfige Familien. Sparsamkeit ist für mich der Gipfel des helvetischen Bünzlitums. Ordnung ebenfalls. Ich lebe in einem Chaos ohnegleichen. Muss ich mit 82 Jahren meine Mentalität ändern? Ja, ich müsste. Besonders, da ich langsam einsehe, dass ich in meinem Alter keine bezahlte Tätigkeit mehr finde. Man will mich nicht mehr. Man braucht mich nicht mehr. Intelligente Menschen haben vorgesorgt, das heisst, gespart, Geld auf die Seite gelegt, als sie noch Geld verdienten. So war ich nicht. Ich habe ein Erbe verschleudert, indem ich mehrmals erster Klasse nach Südostasien verreiste und im Fünfstern-Hotel logierte. Ich muss alleine in einem Einfamilienhaus in der vornehmsten Gegend von Muri wohnen, anstatt, wie es sich gehört für eine alleinstehende Frau, in einer Dreizimmerwohnung in einem mittelmässigen Quartier.
Und gerate in eine Altersarmutsfalle. Nicht, weil ich für mich allein zu wenig Geld hätte, sondern weil ich zu sorglos damit umgehe. Manchmal kommen mir bittere Gedanken: habe ich nicht ein Leben lang gearbeitet, bis zum 77. Altersjahr, bin nie einem Mann – wie bei meiner Generation üblich – auf der Tasche gelegen, während 35 Jahren von 0800 bis 1800, am Anfang auch noch am Samstag bis 1700 mit oder gegen Chefs gewirkt, mit Fieber im Einsatz gestanden, Bücher geschleppt, im kalten Schloss Jegenstorf Kataloge erstellt, nie um eine Gehaltserhöhung gebeten, dazu war ich zu vornehm, zu abgehoben, selbst das aus der Bibliothekskasse entliehenes, aber nicht zurückerstattetes Geld einer meiner Chefs aus meiner Tasche entrichtet, einfach so, weil ich mich für ihn schämte.
Finanziell, aber nicht nur finanziell, jedoch besonders finanziell, ist mein Leben misslungen. Meine Gesinnung ist heute, war aber auch gestern und vorgestern, völlig unpopulär, vor allem in der Schweiz. Und jetzt bezahle ich dafür. Da beisst sich die Katze in den eigenen Schwanz. Bedeutung: das Problem führt auf sich selbst zurück, es ist zirkulär.
Deine Ehrlichkeit und Offenheit sind beeindruckend