11. März 2022 Doris Schöni 0Comment

Nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs erhielt ich den ersten Ball meines Lebens. Es war ein hässlicher, brauner Hartgummiball. Ich liebte ihn heiss und trug ihn immer mit mir herum. Er war – mir scheint, ich habe schon über diese Geschichte geschrieben – meine erste Lebenserfahrung, dass Menschen böse sind. Dieser Eindruck hat sich sehr oft – auch in jüngster Zeit – bestätigt.

Es ist die Geschichte jenes gedrungenen, mit einem Bürstenschnitt versehenen Primarlehrer, bei dem ich meinen geliebten Ball nach einer Woche Entzug abholen konnte (er hatte ihn meiner Schwester konfisziert). Ich stehe hilfesuchend im Eingangsraum seines Hauses, er erscheint oben an der Treppe, welche in die Innenräume führt, schleudert den Ball mit voller Wucht auf den Steinboden des Eingangs. Ich hüpfe ihm nach, verrenke mich, falle hin und hüpfe weiter. Von oben erschallt ein bösartiges Lachen. Wohl habe ich den Ball wieder, mein Vertrauen in die Menschen habe ich dabei verloren.

Mir ist es unbegreiflich, dass (meistens) Männer in einen Krieg ziehen. In unzähligen Dokumentarfilmen aus dem Zweiten Weltkrieg werden einem Bilder geboten, schreckliche Bilder mit kämpfenden und getöteten (im Kriegsjargon wird das Verb „fallen“ angewendet) Männern. Mit vorwärts stürmenden Männern, mit Raketen hantierenden Männern, mit schiessenden Männern, mit massakrierenden Männern, mit geschundenen Männern, mit Kinder ermordenden Männern.

Und wieder versuchen Männer, ein Land zu erobern, dabei soll es sich auch um 19-jährige Rekruten handeln, die nicht darüber informiert wurden, was der Zweck ihres Handelns sein könnte. Unschuldig werden sie im Krieg zu Mördern. Sie müssen kämpfen und wissen nicht, warum. Sie zerstören und werden dabei zerstört. Warum meutern sie nicht?

Autoritätsgläubigkeit, fehlende Informationen. Vor dem Überfall auf die Ukraine hatten sie noch Zugang zu den sozialen Medien und haben sie woh,l auch genutzt. Sie wussten also, wie die Menschen ausserhalb Russlands leben. Sie kamen unter den Beschuss von Influencern wie die jungen Menschen aus der Schweiz, aus Deutschland, aus Frankreich. Sie wurden Marken (Entschuldigung „Brand“) affin, gingen in Lewis-Jeans und trugen Nike-Turnschuhe. Etwas nun hat Wladimir Putin nicht berücksichtigt: nämlich die Verweichlichung und das elterliche Kokon, das ihnen ein behagliches Leben verschaffte. Sie haben weder die Überzeugung noch die Härte der Soldaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg.

Reisten Sie einmal in der Eisenbahn voller in den Urlaub fahrenden, schon früh am Morgen biersaufenden Rekruten? Sie sollten mich in einem Krieg beschützen und mir beistehen? Und solche Büblein schickt man in den Krieg? Sie stossen einen auf das Motto: „Hilf dir selbst“.

Der starrsinnige Herr Putin hat sich derart isoliert, dass er nicht weiss, dass sich die Menschen in den letzten beinahe achzig Jahren verändert haben.

P.S. Was hat die erste Geschichte mit der zweiten gemein?

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