16. Juni 2020 Doris Schöni 0Comment

Es ist erstaunlich, dass kaum Nachforschungen unternommen worden sind, als die Migros plötzlich die beliebten Mohrenköpfe aus dem Sortiment nahm, da sie einen Begriff als rassistisch einschätzt. Der Mohrenkopf gehörte seit Jahrzehnten zum deutschen Vokabular. Es ist ein Jammer, wie wenig geschichtliche Kenntnisse selbst in einem der grössten Detailhandelsunternehmen der Schweiz, der Migros, vorhanden sind.

In alten Akten tauchte das Wort „Mohrenkopf“ erstmals im Jahre 1493 auf. Damals liess sich ein Zinngiesser nieder, der die Auflage bekam, seine Ware neben seinem Meisterzeichen mit dem Mohrenkopf zu versehen. Der älteste Abdruck des Stadtsiegels mit dem Mohrenkopf stammt von 1521. Die ersten Mohrenköpfe sollen unter dem Namen Baggy um 1800 in Dänemark hergestellt worden sein. Doch vermutlich waren es die Franzosen, welche diese Form der Nascherei als „Mohrenköpfe“ (französisch: „têtes de nègre“) bezeichneten. Die Bezeichnung „Mohrenkopf“ ist eine Übersetzung des französischen Tête de Nègre und ist 1892 in Leipzig erstmals belegt. Es ist ein Gebäck aus Othello-Masse (Biskuit), das gefüllt und mit Schokolade oder Kuvertüre überzogen ist.

Das geflügelte Wort:  „Der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann gehen“: Fridrich Schiller legte diesen Satz in den Mund des Spitzbuben Muley assan, des Mohren von Tunis (Die Verschwörung des Fiesco zu Genua).In dieser Aussage Friedrich Schillers  geht es um den Ausdruck „Mohr“. Das Wort „Mohr“ – als Bezeichnung für Menschen dunkler Hautfarbe – ist heute veraltet und wird nur noch in Eigennamen, Zitaten oder im historischen Zusammenhang verwendet. Es ist aus althochdeutsch „mōr“ (8. Jahrhundert) entstanden, bezeichnete ursprünglich einen Mauren und ist aus lateinisch „Maurus“ (Bewohner Mauretanias, Nordwestafrika) hervorgegangen. Die Verallgemeinerung zur Bedeutung „Schwarzer“ fand im 16. Jahrhundert statt.

Sowohl das einfache mōr als auch hellemōr („Höllenmohr“) wurden als Synonyme für den  Teufel verwendet, den man sich damals mit schwarzer Hautfarbe vorstellte. So dichtete  Walther von der Vogelweide: „Nun lehret ihn sein schwarzes Buch, das ihm der Hölle Mohr gegeben hat, und aus ihm lesen sie nun vor.“ Im Mittelhochdeutschen wurde ausserdem zwischen swarzer mōr („Maure mit dunkler Hautfarbe“) und mōr („Maure“) unterschieden. Ab dem 16. Jahrhundert galt „Mohr“ ausschließlich als Synonym für einen Menschen mit dunkler Hautfarbe, während der Maure fortan als solcher bezeichnet wurde.

Als im 18. Jahrhundert der Ausdruck „Mohr“ zunehmend durch  „Neger“ ersetzt wurde, entwickelte sich ein Gegensatz vom edlen Mohren einer noch vorkolonialen Vorstellungswelt und dem kolonialen primitiven Neger. Die Bezeichnung „Mohr“ für einen Menschen dunkler Hautfarbe wird heute nur noch historisch verwendet. Wie auch der Ausdruck „Neger“ wird „Mohr“ als ein rassistisch diskriminierender Ausdruck verstanden.

Selten beruhen mitteleuropäische Darstellungen von „Mohren“ auf tatsächlichen Begegnungen, weit eher auf Reisebeschreibungen und überlieferten Darstellungen. Historische Abbildungen von Mohren folgen daher oft einem Stereotyp: dunkle bis schwarze Haut, dicke Lippen, krauses Haar, oft mit großen Ohrringen oder anderen Attributen „wilder Völker“.

Begegnungen zwischen Europäern nördlich der Alpen und Afrikanern hatten bis ins 18. Jahrhundert Seltenheitswert. Zwar lebten und kämpften in der  Römerzeit auch dunkelhäutige Afrikaner als Soldaten der römischen Armee in Mitteleuropa, doch endete dies mit der Zeit der Völkerwanderungen. Im Mittelalter und der Frühem Neuzeit sind bildliche Darstellungen von Menschen schwarzer Hautfarbe nördlich der Alpen daher eine bemerkenswerte Ausnahme, während in den italienischen Staaten wie der Republik Venedig der Kontakt zu Afrika nie abriss.

Was für die christliche Komponente im Blick auf den „Höllenmohr“ und den „schwarzen Mann“ zutrifft, hat sich im Mittelalter durch die veränderte Heiligendarstellung und -verehrung (vor allem Schwarze Madonnen, ein Mohr als einer der Heiligen Drei Könige, Hl. Mauritius) und durch die positive Verwendung von Mohren in bischöflichen Wappen (unter anderem Freising, Würzburg) relativiert.

Erst seit der Kolonalzeit kamen diese „Mohren“ aus Afrika und Amerika auch als Sklaven an die europäischen Höfe. An Fürstenhöfen, aber auch bei reichen Bürgern, war es bis ins 18. Jahrhundert eine Prestigesache, „Hofmohren“ zu haben, gewöhnlich als Kammerdiener („Kammermohren“) oder soldatisch gekleidete, eher zur Zier dienende Wachen. Viele andere kamen auch zum Militär, meist als Spielleute.

Was die Zunft zum Mohren in Bern betrifft, deren Name heute als rassistisch angeprangert wird, wurde sie erstmals 1383 erwähnt. 1423 ist von einem Gesellschaftshaus die Rede, und von 1460 stammen die ersten Statuten. Mohren war die Zunft der Schneider und Tuchscherer. Das Gesellschaftshaus Kramgasse 12/Rathausgasse 9 stand schon 1474 an derselben Stelle.

In der Weltliteratur haben sich u.a. folgende Schriftsteller mit dem Thema des Mohren befasst:

Friedrich Schiller: Der Mohr von Tunis

Heinrich Hoffmann: Moritat von den schwarzen Buben

Heinrich Heine: Der Mohrenkönig

William Shakespeare:Titus Andronicus

Edward Young: Die Rache

Christian Dietrich Grabbe: Herzog Theodor von Gothland

Wilhelm Busch: Die Rache des Elephanten

Werner Bergengrün: Die Schwester aus dem Mohrenland

Tankred Dorst: Die Mohrin

Lukas Hartmann: Die Mohrin.

 

Mohren und Mohrenköpfe heute als rassistisch zu bezeichnen, ist kein Witz, sondern ein Zeichen geschichtlicher Ignoranz. Wenn eine Firma wie Migros die „Mohrenköpfe“ aus dem Sortiment nimmt, wohl aus Angst vor einem allfälligen Boykott gewisser Kunden, so solidarisiert sie sich mit eben dieser geschichtlichen Ignoranz. Von einem Unternehmen dieser Grösse und Bedeutung erwartet man als Antwort auf die plötzlich auftretende hysterische Reaktion einiger besonders militanten (und unbedarften) Antirassisten eine öffentlichte Aussage mit der Erklärung, seit wann der Name Mohrenkopf in Gebrauch ist.

 

 

 

 

 

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