5. November 2018 Doris Schöni 0Comment

In seinem letzten Gespräch, das im Fernsehen aufgezeichnet wurde, wirkte Ignatz Bubis verbittert und enttäuscht. Er, der sein Leben lang versucht hatte, die Deutschen und Juden zusammen zu bringen, fühlte sich angesichts des sich immer heftiger entwickelnden Antisemitismus in Deutschland missverstanden. Sein Fazit lautete: „Ich wollte diese Ausgrenzerei, hier Deutsche, dort Juden, weghaben. Ich habe gedacht, vielleicht schaffst du es, daß die Menschen anders über einander denken, anders miteinander umgehen. Aber, nein, ich habe fast nichts bewegt.“

Das Schicksal war Bubis gnädig, musste er doch nicht erleben, was sich heute in Deutschland (vornehmlich im Osten), ohne an Länder wie Ungarn, Polen, etc. zu denken) an Antisemitismus abspielt. Antisemitismus ist gesellschaftsfähig geworden, seine Befürworter können offen darüber sprechen und schreiben, ohne geächtet zu werden. Offensichtlich werden die jüdischen Opfer des 2. Weltkrieges zu Tätern „umfunktioniert“.  Die heutige deutsche Bevölkerung ist sich keiner Schuld bewusst, sie ist es müde, an die entsetzlichen Taten ihrer Vorväter erinnert zu werden. Ignatz Bubis: „Was geschehen ist, darf man nicht vergessen, um für die Zukunft dagegen gefeit zu sein.“ Und: „Wir leben in einer Zeit, die zur Relativierung der Geschichte tendiert.“

Wenn man in die hasserfüllten Gesichter der deutschen Neonazis blickt, die mit Hitlergruss „Heil Hitler“ grölen und Parolen wie „wir sind das Volk“ brüllen, so wird einem Angst und Bang und man begreift, dass die Zukunft in Deutschland und in weiteren Staaten nicht gegen Antisemitismus gefeit ist.

In der Schweiz grassiert ein verdeckter Antisemitismus: Wie sonst erklärt man sich die Tatsache, dass Personen im öffentlichen Leben als „Jude xyz“, jedoch nie als „katholisch“ oder „reformiert“ gekennzeichnet werden. Wie oft hört man den vermeintlich banalen Satz „er ist eben Jude“, oder „so sind sie, die Juden.“ Auf die unerwartete Frage „und wie sind sie, die Juden?“ zwinkert das Gegenüber und antwortet „du weisst schon, was ich meine“ und man weiss nie, auch das Gegenüber nicht, was wirklich gemeint wird.

 

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