9. April 2022 Doris Schöni 0Comment

Laut Wikipedia ist Hass (von althochdeutsch haz „Feindseligkeit, aggressive Handlung; Widerwillen, Abneigung“. „Die Motive des Hassenden sind vielfältig und schwer zu bestimmen, herzuleiten und zu erklären. Sie können auf einer durch Ideologien oder soziale Gruppen erworbenen Ablehnung gegen etwas oder jemanden beruhen oder auch auf einer konkreten Erfahrung, etwa einer konkreten Verletzung von Werten und Bedürfnissen. Hass kann unmittelbar entstehen, etwa infolge einer negativen Erfahrung“.

Am 6. April brachte der Sender 3sat eine Dokumentation über den „Hass im Netz“. Der Hass im Netz ist eine neuzeitliche Erfindung: Es ist die Möglichkeit, Hassgefühle einer Öffentlichkeit zugänglich zu machen, vielfach Hass gegen bekannte Personen, vor allem Politikern. Bei den sogenannten „Wutbürgern“ muss ein gerütteltes Mass an Wut vorhanden sein, dabei ist der Hass zuerst unbestimmt und erst mit der Zeit personalisiert, da er einen Sündenbock braucht. Hassbotschaften auf den sozialen Medien waren beliebt, da sie vorerst ungeahndet blieben. Nun schreiten (in Deutschland) die Behörden dagegen ein, die Polizei ermittelt gegen Hassschreiber und verurteilt sie, je nach Inhalt der Botschaft. Eine Verurteilung schürt den Hass noch mehr, denn man nimmt den Hassenden das Ventil, so dass sich der Hass weiter aufstaut und zu hassbedingten Explosionen führen kann. Der Hass im Netz könnte den Puls der Bevölkerung messen und deshalb anstatt zu Strafen zur Aufklärung genutzt werden.

Hass enthüllt Frustrationen. Frustrationen empfinden Menschen, die zu kurz gekommen sind. Entlassene und schlecht bezahlte Personen, die nicht zu Wort kommen. Der Hass enthält auch Neid auf Menschen, denen es besser geht, also auf Politiker, die zum Beispiel auf der Seite von Asylbwerbern stehen. Hass beruht auch auf Vorurteilen, die von Generation zu Generation überliefert werden. Ein Palästinenser antwortete auf die Frage, warum er Juden hasse, „weil ich von Klein auf mit dem Judenhass infiziert wurde“.

Angela Merkel reagierte auf Hassbotschaften mit grosser Gelassenheit, während andere Politiker in Deutschland jeden Hasskommentar auf sozialen Medien ahnden lassen. Es ist nicht bekannt, ob Hassmitteilungen mittels Humor beantwortet werden. Es wäre doch den Versuch wert, eine Hassbotschaft im Netz der Lächerlichkeit – auch im Netz – preis zu geben.

Die „political correctness“ hat möglicherweise dazu beigetragen, dass einige Menschen ihre „incorrectness“ in den sozialen Medien zum Ausdruck bringen. Die Verfechter der „polical correctness“ überschlugen sich vor Korrektheit und verloren jedes Mass: so forderten sie zum Beispiel, die seit dem 13. Jahrhundert bestehende Zunft zu Mohren in Bern umzubenennen … politisch korrekt oder Geschichtsklitterung? Auch die konventionellen Tageszeitungen traten immer leiser. Im 19. Jahrhundert existierte ein sehr kritischer, um nicht zu sagen: gehässiger Journalismus, zum Beispiel des Redaktors der konservativen „Berner Volkszeitung“ Ulrich Dürrenmatt (1849-1908) – übrigens der Grossvater des berühmten Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt (1921-1990). Er war damit das Sprachrohr – umso mehr, weil er in Dialekt schrieb – vieler Unzufriedener und sich benachteiligt fühlender Menschen.

Hat der Hass in den letzten 50 Jahren zugenommen? Hasst der Mensch mehr, wenn es ihm gut geht? Andere Übel sind auch in den Vordergrund getreten, so das Mobbing, das offenbar bereits in der Schule grassiert. Verleumdungen sind an der Tagesordnung und auch der Intellektuellen-Hass ist präsent. Hooliganismus sorgt für Sachbeschädigung und blutige Nasen. Die Hooligans hassen die eine oder andere Fussballmannschaft. Fussball ist vielerorts kein Sport mehr, sondern ein Krieg. Das Grosshirn des homo sapiens – der erste homo sapiens lebte vor 130’000 Jahren in Äthiopien – wird in verschiedene Lappen unterteilt, von denen jeder eine andere Aufgabe hat. Frontallappen: Hier werden Bewegungsabläufe koordiniert und kognitive Prozesse ausgeführt. Er kontrolliert auch unsere Affekte. Ob einer dieser Affekte Hass ist?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert