Gleichmacherei ist nicht Gleichmacherei: Es gibt Männer, die sperren sich gegen eine Gleichmacherei, das heisst Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen. Die soziale Gleichmacherei ist viel dramatischer, man kann sie auch die „persönlichkeits- tötende Gleichmacherei“ nennen. Zitate wie „Menschliches Zusammenleben verlangt nach Anpassung. Das Gefährliche daran ist nur das menschliche Verlangen nach Gleichmacherei“. Oder: „Ich mag keine Gesellschaft, in der alle die gleiche Kleidung tragen, alle die gleichen Autos fahren, alle die gleiche Normwohnung haben und alle die gleichen Packungen essen. Ich habe was gegen Gleichmacherei“ zeugen von dieser Art von Gleichmacherei.
Wer ungleich ist, eckt an. Wer anders ist, wirkt suspekt. Wer gegen den Mainstream schwimmt, ist pubertär rebellisch. Der Kampfruf „Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom“ ist aus der Mode gekommen. Soziale Gleichmacherei bedeutet, etwas nach unten zu nivellieren (das Niveau senken, auf das gleiche Niveau bringen). Ist es ausser in der Technik möglich, etwas nach oben zu nivellieren?
Die Sprache reagiert sehr schnell auf Gleichmacherei. Während früher über die Jugendsprache gespottet wurde, wird sie heute gierig aufgesogen, aufgesogen von älteren Personen, die Teufel komm raus jugendlich wirken wollen. Selbst Grossmütter schrecken vor „geil“, „cool“. „Tschüssli“ und „Chillen“ nicht zurück. Die konfusesten Anglizismen werden nachgeplappert, das heisst, sehr oft falsch angewendet. Jugendliche ahmen das Jugoslawen-Deutsch nach, was die Sprache noch mehr verwildert. Das Landberndeutsch unterschied sich früher vom Stadtberndeutsch. Diesen Unterschied gibt es heute nicht mehr. Man orientiert sich nicht nach dem gepflegten Stadtberndeutsch, sondern nach dem einfacheren Landberndeutsch. Ruth Bietenhard, Berndeutsches Wörterbuch, 1976, bezeichnet das Verb „hocken“, das heute über Gebühr angewendet wird, als „derb“. Eine Vereinfachung findet vor allem in SMS-Botschaften statt. Nicht nur wird fehlerhafter Dialekt geschrieben, sondern auch skurile Abkürzungen und Emojjs angewandt.
Eine weitere Verwilderung ist die Gleichmacherei des Duzens. Hinz und Kunz duzen sich, in gewissen Geschäften werden selbst Weisshaarige von viel jüngeren Personen mit Du angesprochen. In den fünfziger Jahren im Progr in Bern siezten die Lehrer die Schüler und nannten sie beim Vornamen. Auf dem Land duzten sich die Dörfler, wobei ein Dorf meist keine grosse Zahl an Einwohnern aufwies. Was bedeutet, dass die Einwohner sich kannten. Kinder bis etwa 8 Jahre duzen fremde, erwachsene Personen. Was überlegen sich Menschen, die querbeet duzen? Glauben sie, dass die Unterschiede zum Beispiel zwischen einem CEO und einem Fabrikarbeiter durch das Duzen verschwinden?
Wer sich also heute um eine gepflegte – schriftlichen und mündliche – Sprache bemüht, dem Duzen zögerlich gegenüber steht und sein Niveau nicht im Sinne der Allgemeinheit oder besser: der Mehrheit senken will, wird als asozial und überheblich wahrgenommen.