Man wähnt sich von einem unbekannten Planeten, wenn man im vornehmen Berner Vorort Muri um 22 Uhr 15 an einem gewöhnlichen Donnerstag Zigaretten kaufen möchte.
Die Tankstellen-Shops schliessen um zehn Uhr abends. Man eilt ins Restaurant Sternen. Die Terrasse ist voll besetzt. In der Lobby erkundigt man sich nach einem Zigaretten-Automaten im Haus. Ja, den gebe es. Ob man mit einer Karte bezahlen könne. Nein, man müsse sich an einem Bankomaten Geld besorgen. Man hetzt durch die Stuhlreihen zu einem Automaten, lässt sich zwanzig Franken ausbezahlen und kehrt zur Lobby zurück. Wo sich der Zigaretten-Spender befinde, fragt man. Die Reception-Dame erklärt. Zuerst durch einen engen Korridor. Dann eine kleine Treppe nach unten. Man gerät in die Küche. Man erkundigt sich neu. Wieder eine steile Treppe und man steht gegenüber einer Batterie edelster Weine, darunter Magnum-Flaschen. Noch einmal eine enge, verwinkelte Treppe in die Tiefe, und die verschiedensten Zigaretten-Marken bieten sich an. Sorgfältig, aber leider ohne Brille, liest man die Instruktionen. Man wählt die Nummer der gewünschten Zigaretten, schiebt die zwanzig Franken in den entsprechenden Schlitz und atmet auf. Anstatt der ersehnten Glimmstängel wird man aufgefordert, sein Alter preiszugeben. Man gibt es ein, ein-, zweimal, das zweite Mal übertreibt man extrem. Nichts geschieht. Gezwungenermassen drückt man die R-Taste, um das Geld wenigstens zu sichern. Man steigt einen Stock höher, um irgend einen Angestellten um Hilfe zu bitten. Man wird belehrt, dass man eine Identitätskarte benötige, um das Alter zu beweisen.
Nun beginne ich, zu krakeelen. Die nette Bedienung versucht, mich zu beruhigen. Diese Altersidentifikation gebe es wegen der Kinder, die sonst versuchen würden, zu Zigaretten zu kommen. Und? herrsche ich. Ist der Schutz der Kinder wichtiger als die Bedürfnisse der Erwachsenen? Die Bediensteten des Restaurants blicken mich entsetzt an, als wäre ich irr und gefährlich. Die nette Bedienung drückt mir eine Münze in die Hand. So werde es gehen, beschwichigt sie mich. Laut schimpfend über dieses Land, in dem der Gesundheitswahn die Freiheit des Einzelnen einschränkt, winde ich mich die schmale Treppe hinunter. Und siehe, der Apparat spuckt zwei Päckchen der viel zu teuren Zigaretten aus. Beim Zurück in die Nacht verirre ich mich und finde, zwischen Putzkesseln und Wischmops zickzackend, den Ausgang nicht. Die Angestellten greifen sich an den Kopf, zeigen nach links, nach rechts, nach oben und völlig erschöpft lande ich in der Lobby. Die Gartenterrasse hat sich entleert. Diese Tatsache befeuert meine Wut. Um halb elf Uhr geht man an diesem Ort in diesem Land nach Hause, meistens sogar noch früher. Das ist auch so eine Plage in diesem Land, in dem Lerchen die Nachtigallen ausbremsen. In Südostasien, hadere ich, werde ich um Mitternacht in Restaurants bedient und Zigaretten kann ich die ganze Nacht kaufen, und zwar ohne Altersangabe. In meiner Jugend, die ist schon lange her, bekam man vor dem Schwimmbad Zigaretten-Müsterli und jetzt veranstaltet der Staat eine solches Brimborium um das schädliche, so entsetzlich ungesunde Rauchen. Aber der Staat überlässt die Entscheidung, zu rauchen, nicht dem mündigen Bürger, sondern errichtet hinterlistig Hürden und Barrieren und Schikanen, um dem Bürger das Rauchen zu verleiden. Dieselbe miese Taktik erleiden auch die Autobesitzer. Man überzeugt nicht mit Argumenten, man verleidet.
Meine Tiraden verstummen erst mit laut aufgedrehten Vivaldi-Flötenklängen im verpönten Auto, eine noch verpöntere Zigarette rauchend … .
Stele dir vor Das selbe were zuder zeit Johan Sebastian Bach passirt. Ja dan hätten wir sicher auch eine Zigaretten Kantate…