16. April 2022 Doris Schöni 0Comment

Autos. Menschen über 70 überlebten einige Autos. Sie erinnern sich nicht an alle. An das erste und – wenn Pech droht – an das heutige und letzte. Gegen das Ende des Lebens hat man nicht nur die Marken gewechselt, sondern auch den Fahrstil.

Im Alter werden viele Menschen ängstlicher beim Autofahren, was eigentlich widersinnig ist, befinden sie sich doch näher beim Tod als in jungen Jahren. Es sind die Jungen, die, je schneller sie fahren, desto sicherer fühlen sie sich. Unerfahrene sind angstfrei und überzeugt, ihnen geschehe kein Unheil. Mit Erfahrungen wächst die Furcht vor einem Unglück. Die Risiken, die man in jungen Jahren einging, haben Spuren hinterlassen. Man ist sich ihrer nicht bewusst, aber die zitternden Knien von damals haben sich verinnerlicht. Reminiszenz: In einem irren Anfall von Eifersucht raste sie zwischen dem „End der Welt“ und dem darüber liegenden Wald durch spitze Kurven, hielt dann ruppig an und wunderte sich, noch am Leben zu sein. Also noch schneller … ohne jeglichen Kratzer.

Es gibt Menschen, die lieben ihr Autöli wie ihren Hund und pflegen es, als sei es ihre Mutter. Jedes Stäubchen wird mit einem weichen Lappen weggestreichelt. Sie werkeln an ihrem Lieblingsspielzeug, obwohl es nichts zu werkeln gibt. Am Stammtisch wettern sie gegen alle anderen Marken, je mehr diese zerrissen werden, desto unzerreissbarer wird ihre eigene. Man denke an die Reklame von werweissnochwas, in der ein vorsorglicher Autobesitzer seinen Liebling in blaue Wolle hüllt, damit er, der Liebling, nicht fröstelt. Auf der anderen Seite die Kostverächter, die ihren Fortbewegungsmitteln Fusstritte verabreichen, im Innern einen Gemischtwarenladen eröffnen, Vogeldreck auf der Frontscheibe wie einen Rorschachtest betrachten, also nicht abwischen, bei Kratzern an der Karosserie lediglich die Schultern zucken, also die Ware wie eine Ware behandeln.

Sag mir, welches Auto du lenkst und ich sage dir, wer du bist? Es wird gesagt, dass ex Juguslawen nur eine bestimmte Automarke wählen und dass Mercedes-Fahrern diese oder jene Eigenschaft kennzeichnet. Gibt es Listen oder Statistiken über die Berufe, welche einer bestimmten Marke zugeordnet werden können? Zum Beispiel: die meisten Bibliothekare besitzen Opel und die meisten CEOs Audis? Ist im Gehirn vorbestimmt, welche Marke ein Menschen dereinst aussuchen wird?

Zukunftsmusik? Im Zuge des fortschreitenden Materialismus werden aus Biografien berühmter Menschen die Bibliografie zugunsten der gefahrenen Automarken entfernt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert