2. September 2017 Doris Schöni 0Comment

Es gibt Menschen, die bringen es nicht übers Herz oder über ihren Geist, sich zu entschuldigen. Sie fühlen sich im Recht, haben immer recht und beharren auf ihrem Recht.  Begangene Fehler einzugestehen braucht eine gewisse Grösse. Die Grösse, sich in Frage zu stellen.

Die schöne Geschichte begann mit einem Zwist. Ohne zu überlegen bedachte eine Frau einen Mann mit einem Vorwurf. Der Vorwurf entsprach der Wirklichkeit. Doch der Augenblick, ihn zu äussern, war denkbar schlecht gewählt. Die Äusserung geschah nicht unter vier Augen, sondern im Beisein anderer Menschen. Der Mann reagierte empört. Er drohte mit allerhand Konsequenzen, die nicht nur der Frau galten.

Die Frau verstand die Empörung nicht. Sie hatte ja nur die Wahrheit gesagt. Doch die Stunden, die verrannen, brachten sie zur Einsicht, dass es dem Mann peinlich gewesen sein musste, vor anderen Menschen schlecht dazustehen. Endlich begann sie zu denken und es wurde ihr bewusst, dass sie einmal mehr – um Lacher auf ihrer Seite zu haben – unbedarft dahergeplappert hatte. Es ging ihr dabei gar nicht um den Vorwurf, sondern darum, wahrgenommen zu werden, im Mittelpunkt zu stehen, „es“ wieder einmal gesagt zu haben. Die Frau schämte sich. Scham, jemanden lächerlich gemacht zu haben, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. In der Nacht schrieb sie dem Mann einen Brief.

Schreiben fällt ihr leicht. Sie entschuldigt sich beim beleidigten Mann. Entschuldigt sich für ihren in coram publico geäusserten Vorwurf. Räumt ein, sich zu seinem Nachteil in den Vordergrund gedrängt zu haben. Sie bittet den Mann um Verzeihung. Und der Mann verzeiht.

Aus dem um Verzeihung bitten und dem Verzeihen ergibt sich eine wunderbare Freundschaft. Die Frau und der Mann begegnen sich mit Respekt. 

Und sie leben noch.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert