17. Februar 2022 Doris Schöni 0Comment

„Was also ist ‚Zeit‘? Wenn mich niemand danach fragt, weiss ich es; will ich es einem Fragenden erklären, weiss ich es nicht.“ (Augustinus, [354-430 n .Chr.])

Die Zeit läuft mir davon. Ich werde ständig hingehalten, aufgehalten, abgehalten. Man verfügt über meine Zeit, wo keine Zeit mehr vorhanden ist. Wie gehe ich mit dem Begriff Zeit um, dieser schwammigen Wolke ohne Inhalt?

Die wohl markanteste Eigenschaft der Zeit ist der Umstand, dass es stets eine in gewissem Sinne aktuelle und ausgezeichnete Stelle zu geben scheint, die wir die Gegenwart nennen, und die sich unaufhaltsam von der Vergangenheit in Richtung Zukunft zu bewegen scheint. Dieses Phänomen wird auch als das Fliessen der Zeit bezeichnet. Dieses Fliessen entzieht sich jedoch einer naturwissenschaftlichen Betrachtung. Auch die Geisteswissenschaften können die Frage nicht eindeutig klären. (Wikipedia)

Als junger Mensch verjubelt man die Zeit. Oder besser: Man ist sich der Zeit nicht bewusst. Überlegungen zur Zeitverschwendung finden nicht statt. Besser: Es ist eine Zeitverschwendung, über Zeitverschwendung nachzudenken. Es gibt heutzutage Menschen, die verbringen Stunden an der Bar von Restaurants, trinken Bier um Bier, plaudern Belangloses, werfen vielleicht einen Blick in „Blick“ und „20 Minuten“, sitzen, trinken, schweigen, stundenlang. Vielfach sind sie angegraut, alleinstehend oder verheiratet, und man möchte ihnen zurufen: „Habt ihr nichts anderes zu tun als hier zu sitzen?“ Das würde sie verstören.

Das In-den-Beizen-Herumhängen hängt mir zum Halse heraus. Zur Passivität gezwungen zu sein, lässt die Finger auf dem Beizentisch trommeln und die Beine unter dem Tisch hektisch wippen. Aber das Gegenüber kaut selbstvergessen und nimmt zufrieden grosse Schlucke aus dem dampfenden Glühweinglas. Man denkt an all die Bücher, die gelesen werden sollten, an das Geschirr, das noch immer verschmutzt in der Küche umhersteht, an die Wäsche, die seit zwei Tagen aufs Tumblern wartet, das Chaos, das überall im Haus herrscht, und auch an die Zeitungen, der erst rudimentär gelesen wurden. Man nestelt nervös in der Brusttasche, um das Geld für die Konsumation bereit zu stellen in der Hoffung, das Gegenüber ahme nach, doch nein, es kaut und kaut, selbstvergessen. Als das Kauen innehält, wagt man den Versuch: „Wollen wir?“ „Was, jetzt schon, mir gefällt es noch gut.“ „Ich muss aber noch … .“ „Aha, du musst wieder … .“ Ich werde von der Zeit gejagt, weil ich keine Zeit mehr habe.

Zwischen der subjektiv wahrgenommenen Zeit und der objektiv messbaren bestehen oft deutliche Differenzen. Die Wahrnehmung der Zeitdauer hängt davon ab, was in der Zeit passiert. Ein ereignisreicher Zeitraum erscheint kurz, „vergeht wie im Flug“. Hingegen dauern ereignisarme Zeiträume manchmal quälend lange. Von dieser Beobachtung leiten sich auch die Begriffe Kurzweil und Langeweile ab. (Wikipedia)

Andererseits: Hat es überhaupt einen Sinn, angesichts des vorgerückten Alters Wissen in sich hineinzustopfen, das ohnehin in absehbarer Zeit auf Nimmerwiedersehen verschwindet? Ist es nicht ein Privileg des vorgerückten Alters, dass man Zeit zum Versauen hat, und die Zeit gekommen ist, die Zeit zu ignorieren. Welche Bedeutung hat die Zeit für alte Menschen?

Mir jedenfalls rennt sie davon. Ich möchte, sollte, müsste, doch die Zeit reicht nicht, wird nicht reichen. Als jung wollte ich immer älter sein, da ich überall die Jüngste war und nun als alt bin ich immer die Älteste. In so kurzer Zeit.

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