Tage um Tage, Wochen um Wochen, Monate um Monate. Wie viele Jahre noch?
Montag: fremdbestimmter Spaziergang mit Schmerzen, nur um sich auf Tag X* vorzubereiten. Tag X? Stundenlanger Beizenstopp. Am Abend möglicherweise das Spiel „1 gegen 100“ (1 gegen 50), um mich künstlich aufzuregen, zu lauern, ob der Kandidat oder die „Wand“ den Begriff Plagiat oder eine französische Speise nicht kennen. Computer, Schach, Blog. Irgend einmal zu Bett.
Dienstag: fremdbestimmter Spaziergang mit Schmerzen, nur um sich auf Tag X* vorzubereiten. Stundenlanger Beizenstopp. Nachtessen mit Lucien, vielleicht gesellen sich Olli und Michael dazu. Später am Abend Literaturclub – nur einmal jeden Monat, leider. Computertätigkeit. Beim Morgengrauen zu Bett.
Mittwoch: fremdbestimmter Spaziergang mit Schmerzen, nur um sich auf Tag X* vorzubereiten. Stundenlanger Beizenstopp. LoNa online lesen. Künstliche Aufregung über die ständigen Fussballberichte und den Mangel an Kultur. Abends ins Restaurant mit Andrea oder zu ihr oder sie zu mir. Wird meistens spät. Etwas TV, eine Dokumentation über den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust, oder sensationelle Ausgrabungen in Ägypten. Krimis langweilen mich. Computertätigkeit, vielleicht Verfassen eines Blogs, den keinen interessiert, ausser bei Selbstzerfleischung, das beeindruckt, weil Ehrlichkeit so rar geworden ist. Bei Tageshelle zu Bett.
Donnerstag: kein fremdbesimmter Spaziergang. Endlich etwas Zeit zum Zeitungslesen. Jeden zweiten Donnerstag Kochen für Urs. Umhertrödeln, um einmal mehr in Stress zu geraten. Was wohl wieder schief laufen wird? Meine besondere Gabe ist anbrennen lassen, oder besser: karbonisieren. Angeregte Gespräche, oftmals gerate ich unter Beschuss und werde gewahr, zu wenig nachgedacht zu haben. Etwas TV, um mich zu entalkoholisieren. Computertätigkeit, vage. Vielleicht Schach. Frühmorgens zu Bett.
Freitag: fremdbestimmter Spaziergang mit Schmerzen, nur um sich auf Tag X* vorzubereiten. Stundenlanger Beizenstopp. Tête-à-tête mit James im Café Kairo. Habe ich einen guten Tag, was all das bedeuten mag, fallen mit 1000 englische Wörter ein. James spricht wieder über seine Vergangenheit. Nach akurat einer Stunde muss er nach Hause, um zu kochen oder um Gekochtes zu essen. Eigentlich ist er ein Bünzli. Glück, falls die Sendung „Top Dogs of Germany“ansteht. Das Zusammenspiel zwischen Mensch und Hund oder Hund und Mensch ist faszinierend. Und ja, es erfreut mein Gemüt, dass Nummer 1 und 2 immer Border Collies sind. Computertätigkeit,meistens Schach. Wie immer zu früh zu Bett.
Samstag: fremdbestimmter Spaziergang mit Schmerzen, nur um sich auf Tag X* vorzubereiten. Stundenlanger Beizenstopp. Pingpong mit Lucien. Dass ich immer verlieren muss! Zu kurze Arme und zu versehrt, um nach vorne zu laufen. Vielleicht kommt seine Schwester und Freunde, Lucien kocht oder ich oder Michael kreiert ein Mahl mit seinen selbstgepflückten Pilze. Wir trinken, rauchen und kiffen und diskutieren, Lucien verabschiedet sich. Nachher möglicherweise die Kochsendung Swiss Dinner, wobei mich meistens die Ausdrucksweise der Teilnehmenden aufregt, es wimmelt nur von „cool“, „mega“,“geil“ und „huere“. Anschliessend ebenfalls eine „TeleBärn“-Sendung, nämlich „Mis Dihei“. Da geht man durch top-aufgeräumte Wohungen oder Häuser; ausser Familienföteli sind die Wände leer, keine Bilder, keine Wandteppiche, keine Kunstgegenstände, dafür gesammelte Puppen und Odnung, Odnung und Sauberkeit haben oberste Priorität. Später Schach und Computertätigkeit. Einmal zu Bett.
Sonntag: fremdbestimmter Spaziergang mit Schmerzen, nur um sich auf Tag X vorzubereiten. Stundenlanger Beizenstopp. NZZ am Sonntag. Wird immer dünner in jeder Hinsicht. Wäsche? Geschirrwäsche? Wäsche endlich aus dem Tumbler räumen, ebenso Geschirrspüler entleeren. Das Hauschaos hat wieder zugeschlagen. Alles in der Küche klebt und ihr Boden ist glitschig. Ich schleiche auf die Veranda und schaue in den Regen. Vor meinen Augen zeichnet die Clematis ein Filigran in den dunklen Himmel. Morgen ist Montag, der beginnt mit einem fremdbestimmten Spaziergang mit Schmerzen, nur um sich auf Tag X* vorzubereiten. Stundenlanger Beizenstopp … .
*Tag X: an jenem Tag wird mein Leben endlich wieder durch einen Hund, einen Border Collie, reich sein.
Grosse Frage:
Wann ist TagX?