23. Juli 2017 Doris Schöni 0Comment

Es gibt Menschen, die zählen die Stunden bis zu ihrer Pensionierung. Andere, die sich bei ihrer Arbeit im siebten Himmel wähnen, würden bis zu ihrem letzten Atemzug arbeiten, wenn das Pensionsalter nicht eine unüberwindbare Hürde darstellte. Plötzlich sind sie nichts mehr wert, obwohl sich auch im Alter ihre Hirnzellen vermehren und neu vernetzen. Es gibt Vierzigjährige, die abgelöscht, abgestumpft, ideenlos und verholzt sind. Würde man sie frühpensionieren, brächten sie der Gesellschaft mehr als dem Arbeitgeber. Aber die Arbeitsgrenze ist starr und stur, jedoch nur für die Angestellten. Selbständig Erwerbenden gewährt die Gesellschaft Freiräume, den Freiraum zu arbeiten, solange sie wollen. Das widerspricht der Rechtsgleichheit.

Der „Tagesanzeiger“ vom 28. Februar 2017 beleuchtet im Artikel „Das haben wir vom Rentenalter 65“ die Geschichte des Rentenalters in der Schweiz. Zitat: „Wir haben es den Deutschen zu verdanken. Als das Kaiserreich im Jahr 1889 erstmals eine Rentenversicherung einführte, setzte Otto von Bismarck die Pensionierungsgrenze bei 70 Jahren an. Womit der eiserne Kanzler gleich klar machte, dass er überhaupt nicht im Sinn hatte, den Untertanen einen schönen Lebensabend zu gewähren. Denn die durchschnittliche Lebenserwartung betrug damals etwa 40 Jahre. Die neue Rente half also höchstens ein paar Glückspilzen, die ohnehin aus dem Raster fielen. Sie war ein (buchstäblich billiger) Trick, mit dem der Fürst den Sozialisten ein paar Anhänger abspenstig machen wollte … Auch in der Schweiz wurde die Alterssicherung nach Weltkrieg und Landesstreik virulent. 1925 stimmten die männlichen Bürger klar für einen Verfassungsartikel, der eine AHV verlangte. Es sollte danach noch über zwei Jahrzehnte dauern, bis das auch umgesetzt wurde (auf die Idee von «Durchsetzungsinitiativen» und Zeitguillotinen in Verfassungsartikeln war noch keiner gekommen). Zwar erarbeitete der Bundesrat rasch ein Pensionssystem; dabei schielte er in Sachen Altersgrenze über den Rhein, aber blieb vorsichtiger: Er wählte das Rentenalter 66 und erklärte diese Grenze mit der «gebotenen Rücksichtnahme auf die zur Verfügung stehenden Mittel». Und so kamen die Schweizerinnen und Schweizer, wie bekannt, erst nach dem nächsten Weltkrieg zu einer nationalen Rente – nach der berühmten AHV-Abstimmung von 1947. Und dabei kamen sie auch zum Rentenalter 65. Das deutsche Vorbild wurde im Jahr 2 nach Hitler zwar weder im Bundeshaus noch im Abstimmungskampf ausdrücklich genannt, doch die Zahl lag irgendwie in der Luft: Das Alter entspreche dem «sozialen Bedürfnis. Nun wird ja auch heute gern angemerkt, dass die Rentengrenze 65 zu Zeiten von Bundesrat Walther Stampfli etwas völlig anderes bedeutete. Tatsächlich: Als die AHV eingeführt wurde, lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei knapp 63 Jahren für Männer und bei 67 Jahren für Frauen. Es war also nicht vorgesehen, dass allzu viele Menschen ihre Pensionierung allzu lange überlebten. Seither aber wuchs die durchschnittliche Lebenserwartung jedes Jahr um rund 100 Tage, sodass sie heute bei 83 Jahren liegt.

Dass zugleich die Zahl 65 versteinerte, hatte logischerweise schwere Nebenwirkungen. Damals, als die AHV entstand, erschien die Finanzierbarkeit ein Hauptkriterium zur Festlegung des Rentenalters. Heute ist das Rentenalter zu einem Hauptkriterium für die Organisation der Finanzierung geworden. Ein weiterer kaum beachteter Nebeneffekt: Mit der Schaffung der staatlichen Altersrenten, ob in Deutschland oder in der Schweiz, setzte sich auch die Idee in die Köpfe, dass es eine feste Vorgabe dafür gibt, wann man fertiggearbeitet hat. Bis zu einem bestimmten Alter, und dann ist Schluss für alle: Über diese Idee hätten die Menschen jahrtausendelang nur den Kopf geschüttelt. «Erst das Industriezeitalter hat diese starren Grenzen gezogen: im Gleichschritt marsch in den Betrieb, im Gleichschritt raus» – so hat Norbert Blüm, der frühere deutsche Arbeitsministereinmal über die Nebenwirkung gespottet.“

Die „versteinerte Zahl 65“: Wer zertrümmert diesen Stein? Über 50-Jährige, besonders jene aus anspruchsvollen Berufen, finden kaum mehr eine Stelle. Menschen aus der Kategorie Ü65 gehören definitiv zum alten Eisen und deshalb auf den Müll. Sie haben sich um die Enkel zu kümmern und es ist ihnen versagt, Familienvätern – die sich ja frei für ihren Status entschieden haben – die Arbeit wegzunehmen. Ihr Status ist meistens wichtiger als ihre Qualifikation. Feste, unverrückbare Werte sind eben leichter zu handhaben … .

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert