Es ist seltsam: Die Gewalt in Familien hat zugenommen, psychiatrische Praxen werden überrannt, die Menschen in der Schweiz leiden unter den von Virologen empfohlenen Einschränkungen durch die Corona-Epidemie.
Die Jungen müssen auf Parties verzichten, die Älteren auf Stammtische, beiden Kategorien ist es versagt, sich in einem Sportklub zu betätigen. Jung und alt vermissen den Kontakt zu anderen Menschen, Familien beklagen fast prophetisch das Ende der Sippschaft Kultur. Und wenn man durchs Land wandert, fällt auf, dass jedermann mit jedermann das Gespräch sucht.
Vor der Epidemie versteckte sich männiglich hinter dem Handy, den anderen Menschen abgewandt.
Während Jahrzehnten hatte man Kinder und Jugendliche auf Action gedrillt, jedes Innehalten verpönt, man karrte sie vom Euro Rustpark zu Aquamare, vom Ropetech Seilpark zur Belper Trampolinhalle und verfrachtete sie von den Stränden der Dominikanischen Republik ins Skigebiet Meiringen-Hasliberg.
Offensichtlich haben es Eltern und Lehrer versäumt, den Nachwuchs zum Lesen zu animieren. Buchstabenreihen ohne bewegte Bilder, schrecklich, langweilig, öde. Allein, im stillen Kämmerlein oder, wenn privilegiert, im eigenen Garten, noch schlimmer.
Die Jugendlichen wünschen sich nichts sehnlicher, als sich die Ohren von der Musik vernebeln lassen. Im Pulk auf Festivals zu tanzen, die Arme hoch über dem Kopf zu schlenkern und Bier in Unmengen zu saufen. Und dieser Aufschrei jedesmal, wenn wieder ein Festival abgeblasen wird. Keine Reaktion dagegen, wenn die 500 jährlich stattfindenen Veranstaltungen in den Bereichen Kultur und Musik im KKL (Kultur- und Kongresszentrum) Luzern auf Eis gelegt werden.
Stille ist zum Unwort geworden. Der Mensch von heute hält Stille nicht mehr aus. Aus jedem Auto tönt ein Bumbum. In jedem Geschäft wimmert Musik. In den Warteschlangen am Telefon wird man von kreischendem Gesang malträtiert. Mozart wäre in diesem Fall wesentlich besänftigender. Klassische Musik wurde wohl mit Absicht madig gemacht. Als zu elitär verbannt. Denn wer will denn schon ein elitäres Kind? Um das Leben zu „stemmen“ (neudeutscher Ausdruck) muss es, um ein angnehmes Leben führen zu können, im Mainstream schwimmen. Aus dem Mainstream hat sich die Stille aber definitiv verabschiedet.