30. März 2022 Doris Schöni 0Comment

Küchenpsychologie: schlägt man im Internet nach, wie man mit innerer Leere umgeht, erlebt man einmal mehr eine grosse Enttäuschung. Im Einklang mit der heutigen Gefälligkeitspsychologie werden allfällige Lösungen wie Achtsamkeit für sich selbst, eine neue Sprache lernen oder sich auf eine Reise begeben empfohlen.

Typisch für die Resultate der Nachforschungen ist auch, dass sie lediglich jüngere, im aktiven Leben stehende Personen betreffen. Natürlich kann man mit achtzig eine fremde Sprache lernen und sich auf eine Reise begeben, vorausgesetzt, man ist mobil. In diesem Alter kennt man bereits die Tricks, wie man Leeren im Laufe des Lebens bekämpfen kann. Wie beherrscht man jedoch diese Leere in den allerletzten Augenblicken des Lebens, in denen man sich nicht einsam fühlt, keine Geborgenheit sucht, nirgends dazugehören möchte, Achtsamkeit als puren Egoismus verurteilt und sich immer mehr zum Misanthropen entwickelt? Man hat es – das Leben – „gesehen“, man ist durch Höllen und einige paradiesische Augenblicke gegangen, hat Misserfolge beweint und Erfolge gefeiert, erinnert sich an ein Quäntchen von Glück, das einen ohne Ursache überkam, leidet noch immer an Trauer, Enttäuschung und heilloser Wut.

Und eine tödliche Leere. Die man mit Barockmusik und sinnlosem Schreiben übertüncht. Kein Neid auf die zahllosen alten Menschen, die erklären: „Wir sind zufrieden. Es fehlt uns an nichts“. Eher Hass auf bescheidene, unauffällige, nicht aufmüpfige, angepasste, im Mainstram plantschende Menschen. Man isoliert sich, um sich nicht dauernd über die grassierende Ignoranz, fehlende Bildung, das Geschichtsunwissen und den Anti-Intellektualismus des Menschenpulks zu ärgern.

Man ist sich nachgerade bewusst, dass es an enem liegt, etwas zu ändern, auf dass die tödliche Leere in den Hintergrund flüchtet. Man beschimpft die Leere als ein Luxusproblem, das man sich einbildet.

Trotzdem: Tag für Tag, Nacht für Nacht bis es dämmert und man sich in den forcierten, traumlosen Schlaf versetzt, die Leere weicht nicht, sie haftet wie eine Klette, die sich fest und fester im Gehirn einnistet. Die Leere, die Leere, die Leere im Alter … .

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