3. Juli 2022 Doris Schöni 0Comment

Es begab sich, dass anfangs Juli eine Kongolesin einen Schweizer heiratete – als Gotte (im Alemannischen die Bezeichnung für Patin) der Braut war ich dazu eingeladen. Als ich mit Verspätung eintraf, beruhigte mich die Mutter der Braut mit der Mitteilung, die Verspätung sei allgemein. Ein Chaos?

Die grosse Halle war zum Bersten voll. Kinder und Erwachsene, dunkelhäutiger und weisser Hautfarbe, wirbelten durcheinander. Am Kopfende des Saales befand sich eine Empore mit zwei hohen, vergoldeten Sesseln – für das Heiratspaar – und einigen normalen Stühlen. Gleich daneben war der DJ untergebracht, er verfügte über vielfältiges Material, über welches ein DJ verfügen muss in der heutigen Zeit. Bevor die Tischreihen begannen, .gab es eine freie Fläche, auf der sich etliche Fotografen und Kameraleute mit den modernsten Apparaten, aber auch Conféranciers deutscher und framzösischer Sprache, aufhielten.

Die Kongolesinnen trugen farbenprächtige Kleider, eher Kostüme, alte und junge Frauen übertrafen sich gegenseitig mit goldenem Schmuck, farbigen Ringen, die über drei Finger breit waren, es glitzerte und glänzte, sie waren mit fantasievollen Kopfbedeckungen geschmückt – auch die Braut trug über ihren goldigen Mähne eine Art Kappe, auch manche Männer waren zum Teil konservaiv mit Kravatte und Jacke gekleidet, andere trugen bunte Hemden und mit Baströckchen versehene Hosen. Es waren einige gemischte Paare anwesend, mit schnusigen Café-au-lait-Kindern, die weisshäutigen Paare verblassten im dunklen Meer der Ausgelassenheit.

Meine Freundin, die Mutter der Braut, stellte mich verschiedenen Menschen vor, darunter auch den Eltern des Bräutigams, einem seltsamen Paar. Beide, besonders die Ehegattin, die kahl geschoren ist, schienen magersüchtig zu sein. Der Mann trug braune Schuhe zum dunklen Anzug. Sie wirkten verloren und verängstigt, fühlten sich sichtlich unwohl, und wenn man bedenkt, dass beide kein Wort Französisch kennen, müssen sie sich völlig deplaziert vorgekommen sein im Sprachen-Gewirr von Lingala, Französisch und Berndeutsch.

Nun griffen die Showmasters – einer in Französisch, der andere in Deutsch – ins Geschehen ein. Das Brautpaar wurde hochgelebt, man betete und wünschte ihm viel Glück und Segen, amen. Dann wurde zum Essen gerufen, Tisch um Tisch, es bildeten sich lange Schlangen. Eine ältere Kongolesin nahm mich unter ihre Fittiche und drägte mich, die Schlange zu duchbrechen. Auf meinen Einwand, das sei ungerecht, antwortete sie „c’est moi qui commande“. Ich wurde zu den – augenscheinlich selbst hergestelleten – Speisen geführt, die ich dem Namen nach kannte, aber noch nie gekostet hatte: beignets, Maniokschnitze, Fleischbällchen an einer schwarzen Sauce, dunkelgrüne Maniokblätter als Beilage zum Reis, allerlei aufgespiesste Fleischsorten, schwarze und orangenfarbige Bohnen, ausgedörrte Fleichplätzchen, marinierte Hühnerschenkel und darber eine zungenversengende rote Sauce. Es schmeckte mir nicht alles: die beignets erwiesen sich als süsslich und nicht knusprig, der Maniokschnitz war zäh und gechmacklos, dessen Kraut etwas undefinierbar, die rote Sauce überdeckte alles, die Zunge brannte und trieb Tränen in die Augen – nicht vor Rührung über das ausgelassene Fest.

Und die kongolesischen Frauen: im Unterschied zu ihren Männern verfügen sie über ein wohlgeformtes „bagage africain“, das will heissen, ein mächtiges Hinterteil. Die mittlerweile erwachsenen Töchter meiner Freundin waren schlanke, junge Mädchen, auch mein Gottenkind. Im Laufe ihrer Entwicklung gehen sie auf wie Hefekuchen an der Wärme. Das „bagage africain“ lässt sich nicht aufhalten. Es wächst und wächst, wie auch ihre Körpergrösse, und wäre ihre Hautfarbe nicht dunkel, würde man sie „Helvetia“ nennen. Die meisten unterstreichen ihre Hinterteilfülle durch enganliegende Kleider oder knappe Pullover. Beim Tanzen setzen sie ihr „bagage“ tüchtig ein, sie wippen und wackeln, dass es eine Freude ist, sie zu betrachten. Leider entsprechen sie nicht dem europäischen Ideal nach Androgynie, es ist bei uns nicht üblich, solch eine üppige Fruchtbarkeit zur Schau zu stellen. Wir sind in dieser Beziehung verklemmt, was sich auch beim Tanzen bewahrheitet. Die Afrikaner – Kongolesen – geben sich dem Tanz hin, es tanzt ihnen, bereits Kinder bewegen sich traumtänzerisch zur Musik, rhythmische Tanzschritte liegen in ihren Genen und sind Audruck ihrer Lebensfreude – auch in der „Fremde“. Ein junger Kongolese trug ein T-Shirt mit der Aufschrift „Fuck racism“. Wer hat eigentlich Angst vor dem schwarzen Mann? Die Hautfarbe – man weiss es nachgerade – ist eine Klimafrage. Die Kinder des sehr weisshäutigen Bräutigams und meiner Patentochter werden Mestizen sein, der beste Weg, den Rassismus zu überwinden … .

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