Ein neues Modewort: die Entschleunigung. Der Begriff Entschleunigung (Ent-Schleunigung) wurde erstmals 1979 von Jürgen von Scheidt in seinem Buch „Singles – Alleinsein als Chance“ eingeführt,[danach in drei weiteren seiner Bücher behandelt.Das Wort tauchte weiter Anfang der 1990er in Publikationen der Evangelischen Akademie Tutzing und des Wuppental Instituts für Klima, Umwelt, Energie auf. Die Idee ist aber älter und mindestens bis in das 19. Jahrhundert zurückverfolgbar, als es in England Tendenzen gab, Eisenbahnen Geschwindigkeiten von mehr als zehn Kilometern pro Stunde zu verbieten.
Vor Jügen von Scheidt schrieb der Berner Guido Schmezer „(Ueli der Schreiber“) (1924-2009) 1969 ein Buch unter dem Titel „Lob der Langsamkeit – ein Leitfaden zur Lebenskunst“.
Wikipedia charkterisiert den Begriff folgendermassen: Mit Entschleunigung wird umgangssprachlich ein Verhalten beschrieben, aktiv der beruflichen und privaten Beschleunigung des Lebens entgegenzusteuern, d. h. wieder langsamer zu werden oder sogar zur Langsamkeit zurückzukehren.
Dem Streben nach Verlangsamung liegt die Auffassung zugrunde, dass die gesellschaftliche und vor allem wirtschaftliche Entwicklung in den entwickelten Industriegesellschaften eine Eigendynamik gewonnen habe, die Hektik und sinnlose Hast in alle Lebensbereiche hineintrage und dabei jedes natürliche und insbesondere menschliche Mass ignoriere. Dem Streben der Berufswelt nach Komplexität, Effektivität, Hast, Hektik, schneller, höher, weiter und mehr wird die Entschleunigung entgegengesetzt. Dabei geht es nicht um Langsamkeit als Selbstzweck, sondern um angemessene Geschwindigkiten und Veränderungen in einem umfassenden Sinn: im Umgang mit sich selbst, mit den Mitmenschen und mit der umgebenden Natur. Die schnelllebige Welt bietet wenig Beständigkeit und Zeit zum Durchatmen. Zeit wird zum kostbaren Gut. Steigende Anforderungen im Beruf und vielzählige Aufgaben des Alltags, bei gleichzeitig immer neuen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung: Viele Menschen haben das Gefühl, dass die Zeit für die wichtigen Dinge im Leben zu kurz kommt. In der Konsequenz möchten sie entschleunigen und wünschen sich mehr Zeit für sich, ihre Familie und Freunde. Zunehmende Bedeutung erfährt Entschleunigung in der Ratgeberliteratur zur Stressbewältigung sowie der interdisziplinär angelegten Glücksforschung*. Auch im Bereich des Gesundheitstourismus wird das Thema einer verlangsamten Lebensführung unter gesundheitlichen Aspekten vermehrt aufgegriffen.
Entschleunigungsmassnahmen können z. B. sein:
- die Enthaltsamkeit (Askese)
- die Führung eines Einfachen Lebens
- eine Verringerung des Ressourcenverbrauchs,
- allgemeiner im biologischen Sinne auch alles, was den Energie- und Stoffumsatz verringern hilft.
In sozialer und kultureller Perspektive entwickeln sich zunehmend Massnahmen mit dem Ziel der Entschleunigung, welche sich unter dem Begriff der Slow-Bewegung zusammenfassen lassen.
Der Anfang der Slow-Bewegung begann im Jahr 1986, als die Fast-Food-Kette McDonalds in Rom ihre erste italienische Filiale eröffnete. Damals war die Empörung immens, denn die Arbeitskultur von McDonalds widersprach der einheimischen Küche Italiens. In der italienischen Esskultur geht es vor allem darum, sich Zeit für die Zubereitung und den Genuss der Zutaten zu nehmen. Die Folge waren Proteste gegen McDonalds, die von Tausenden unterstützt wurden. Zu den Gegnern zählte auch Carlo Petrini, der noch im selben Jahr die Organisation Slow Food gründete. Diese setzt sich für die Wahrung von ursprünglichen Zutaten, lokalen Gerichten und die Biolandwirtschaft ein. Bei der Slow-Bewegung geht es nicht um Langsamkeit an sich, sondern viel mehr um die Balance zwischen dem einen und dem anderen. Man soll den Dingen mehr Aufmerksamkeit schenken und sich die Zeit nehmen um das Aroma des Lebens auszukosten.
Es gibt einige Beispiele die darstellen, wie gut sich das Lebensbild Entschleunigung bereits etabliert hat. Weltweit gibt es mittlerweile etwa 250 Städte, die für das Cittaslow qualifiziert sind. Dabei handelt es sich um ein internationales Gütesiegel, was die Lebensqualität der Bewohner an erste Stelle stellt. In Deutschland existieren momentan 21 dieser Städte. Der Fokus liegt hier vor allem auf Nachhaltigkeit und Innovation, die primär von den Bürgern vorangetrieben werden soll.
Beschleunigung an sich ist nichts Schlimmes, nur, wenn sie die Überhand gewinnt, kann es problematisch werden. Deswegen geht es bei der Slow-Bewegung um ein gesundes Gleichgewicht. Der in Mode gekommene Begriff „Entschleunigung“ erinnert mit „Enthaltsamkeit“ und „Führung eines einfachen Lebens“ an Schafwolle, vegane Kost, Brennesseltee, E-Bikes, Gruppenbildung, „soul food“, Veloanhänger mit Fähnchen, Patriotismus zur Identitätsbildung, Sprechen, wie einem der Schnabel gewachsen ist, zurück zu den Wurzeln, Alternativmedizin, Cranio-Sacral, Gölä, Schmierseife anstatt Duschgel. Man fürchtet eine Überhandnahme ähnlich wie bei Schokolade und Güezis, die neuerdings von namhaften Firmen vegan hergestellt werden (für Personen mit bescheidenem Budget zu köstlich …). Es ist schwer verständlich, warum solche Lebensformen nicht einfach als Nischen bestehen können, ohne gleich die gesamte Bevölkerung einzubeziehen.
- Glücksforschung: Darüber mehr in einem der nächsten Blogs.