Besprechung mit dem Professor, der die ominöse Operation durchführen wird. Er wirkt ernst und besorgt. Und spricht von Risiken. Wegen meiner Lunge und meines Herzens. Er legt mir nahe, die Tage vor der Operation das Rauchen einzuschränken.
Ich frage belustigt (?): „Sollte ich meine Todesanzeige entwerfen und meine Abdankungs-Publikumsbeschimpfung verfassen?“ „Nein, nein“, beschwichtigt er. „Machen Sie diese Operation gerne?“, frage ich. Darf man als Patientin eine solche Frage stellen? „Diese Operation wird in Bern lediglich in zwei Spitälern gemacht“, erwidert er meine Frage umgehend. „Sie werden mindestens vier Wochen brauchen, um sich zu erholen“. Ich widerspreche: „Höchstens drei Wochen. Ich bin zäh“. „Aber Ihr Alter“. Mein Alter. Meine Aginas bekämpfte ich mit Trainings. Fieber bei Fechtturnieren. Einen schrecklichen Unfall habe ich überstanden, obwohl meine Chancen schlecht standen. Hauptsächlich erlitt ich Unfälle. Krankheiten ignorierte ich. Und nun?
Wur überkommt mich. Wut über meinen Körper, der den Zigarattenkonsum nicht verkraftete. Wut,meinem Körper zu Unrecht vertraut zu haben. Ich war sicher, er würde alle Strapazen aushalten. Der Professor spricht: „Die Operation ist schwierig und risikoreich. Sie werden danach in die Intensivstation gebracht“. Ich reagiere mit „oje“. „Sie sollten sich jetzt schon mit der künstlichen Blase befassen“. „Nein“, antworte ich, „es ist dann noch früh genug“. Bis jetzt habe ich diese ganze Krankheit und die Operation verdrängt, sie interessieren mich nicht, ich nehme sie nicht zur Kenntnis.
Die meisten Menschen befassen sich intensiv mit ihrem Körper, das heisst, ihrer Gesundheit. Die Gesundheit ist ein Dauerthema. nicht nur von jedem selbst, sondern auch von den wünschenden Angehörigen, immer geht es um die Gesundheit. Auch beim mir verpönten Anstossen mit Alkohol sagt man „Gesundheit“. Warum? Ist sie wohl das höchste Gut des Menschen? Nicht für mich. Das beschäftigt den Professor. Ich wage ihn nicht zu fragen, wieviel er an meiner Operation verdient. Ob er daran mehr verdient als an einer weniger radikalen Methode, die, wie er sagt, nutzlos wäre agesichts der aggressiven Zellen. Ich zweifle nicht daran, dass er auf dem neusten Stand der urologischen Forschung ist, aber weiss man, ob er sich damit beschäftigt? Er kann ja eine Forschung verschlafen oder abgelenkt worden sein, aus welchen Gründen auch immer.
Ich muss unterschreiben, dass ich mit der Operation einverstanden bin. Der Professor begleitet mich nach draussen. „Wenn Sie noch Fragen haben …“, er legt eine Hand auf eine meiner Schultern im Bemühen, mich aufzuheitern. Ich schleiche von dannen, wütend in der festen Überzeugung, mich in weniger als drei Wochen zu erholen.