18. März 2022 Doris Schöni 0Comment

Im Alten Bern – ich weiss, das interessiert keine und keinen mehr, aber ohne Rückblick kein Ausblick – schickten die Patrizier Puppen, die Kleider nach ihren Vorstellungen trugen, zu den damals berühmtesten Modeschöpfern nach Paris. Nach Wikipedia bezeichnet Mode ‚Mass‘ bzw. ‚Art‘, eigentlich ‚Gemessenes‘ bzw. ‚Erfasstes‘), die in einem bestimmten Zeitraum geltende Regel, Dinge zu tun, zu gestalten, zu tragen oder zu konsumieren, die sich mit den Ansprüchen der Menschen im Laufe der Zeit geändert haben. Moden sind Momentaufnahmen eines Prozesses kontinuierlichen Wandels. Mit Moden werden also in der Regel eher kurzfristige Äusserungen des Zeitgeistes assoziiert.

Moden kehren in irgend einer Weise wieder. Eines Tages wurden die Nylonstrümpfe mit Nähten wiedergeboren. Die Trendfarben sind beschränkt, also wiederholen sie sich oft. Bergschuhe zu Abendkleidern waren auch einmal in. Courrèges und Calvin Klein. Kurze, mittellange und ellenlange Röcke. Schmale, noch schmälere, breite, lederne, gemusterte zu gemusterten Anzügen getragene Kravatten, enge, weite, flatternde Jeans, Blazers für die weiblichen Bank- und höheren Bundeangestellten, Schmuddellook bei gewissen Künstlern, mit Schrift und Farbe gekennzeichnete Marken, pardon: Brands. Kleider, unter denen Leggins hervorschauen, Kinder, angezogen mit Farben, die sich „beissen“, Hüte, die kommen und Gehen, XXL-Blusen und enganliegende Schlüttli, Haare in Regenbogenfarben, High Heels, flache Schuhe, Treter, Halstücher, die nicht enden, rote, dunkelrote und rosafarbige Lippenstifte und die Fingernägel, o graus: vogelähnliche Krallen, spitz wie Rapiere, geschmückt mit Fake-Edelsteinen und halben Landschaften, ein wahrliches „remède contre l’amour“. Die Tätowierungen dürfen nicht vergessen werden: Gibt es noch Zeitgenossen ohne Tatoos? Manchmal sind sie von Kopf zu Fuss verstochen, die meisten Aufschriften sind blöd, um die Arme schlingen sich Pflanzen, auf feisten Nacken sind hin und wieder Zahlen zu lesen, man lernt dank der Tätowierungen fremde Sprachen, Arabisch, Serbisch, Schweizer Werbe-Englisch, und dann die Kreuxe, vielfach verschämt an der linken oder rechten Schläfe angebracht. Wer heute etwas auf sich hält, ist ein Bilderbuch für Kindergärtler. Und an was die Tatoo-Affinen nicht denken: an das Alter. Man stelle sich Tatoos auf schlaff und runzlig gewordener Haut vor. Namen werden zerstückelt und das gestochene Hirschgeweih, das aus dem Hintern ragt, wird geknickt sein, ganz zu schweigen von den geschrumpften Löwen auf den Rücken alter Menschen.

Die Moden wechseln, da sie selber aus dem Bedürfnis nach Wechsel entstehen.“ ( Marcel Proust)

Modeerscheinungen können psychologisch erklärt werden, nämlich durch Grundbedürfnisse, wie das Grundbedürfnis nach Beachtung, um aufzufallen oder Interesse zu wecken, das Grundbedürfnis nach Anerkennung, Bedeutung und sich selbst und anderen zu gefallen. Weiterhin wichtig sind die Bedürfnisse nach Abwechslung und Individualität, wobei letzteres mit dem Wunsch nach Konformität im Widerspruch zu stehen scheint, da jede Mode eine globale Verbreitung findet. Bedürfnisse von Zugehörigkeit und Abgrenzung, Konformismus und Individualismus, Expression und Tarnung, Exhibitionismus und Verhüllung werden in der Mode erkennbar.

Dennoch ist das nur ein Teil der Ursachen von Mode. Unüberschaubar viele individuelle Faktoren kommen dazu. Beispielsweise die persönliche Bedeutung konkreter aktueller Modethemen und -bilder für die individuelle Persönlichkeit und die entsprechende Lebenserfahrung. In der Kleidermode wird das besonders deutlich: Kleidung, auch modische Kleidung, ist oft ein sehr persönlicher Ausdruck des individuellen Lebensgefühls, einer aktuellen Stimmung oder von Sehnsüchten, Träumen und Visionen. Insofern ist Kleidung dann auch ein alltägliches Rollenspiel oder Rollen-Einnehmen, ein Sich-Aneignen erträumter Rollen. Mode kann auch Verkleidung und Verkleidung Sichverstecken bedeuten. Hinter Uniformen verstecken oder anonymisieren sich Militär und Polizei, allerdings verstecken sich Millionen von Menschen hinter den weltüberspülenden Jeans, die keine Mode mehr sind, sondern eine Institution.

Übrigens: Ist es noch Mode, dass jedes Jahr eine neue Mode in Mode kommt?

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