Es war einmal ein kleines, fettes Fröschlein. Höhere Weihen waren für es im Lebensplan nicht vorgesehen. Die Fröschin war in eine kinderreiche Familie hineingeboren worden. Anstelle der Vornamen trugen alle seine Geschwister Nummern, das heisst, römische Zahlen. In einem Familien-Heftli, nein,es war nicht der „Hinkende Bot“, hatte die Mutter zum ersten Mal die römischen Zahlen zu Gesicht bekommen. Die Formen dieser Zahlen beeindruckten sie, so dass sie beschloss, ihre Kinder römisch zu nummerieren. Mit der Nummer XIII hatte das kleine Fröschlein nur noch ein Ziel, nämlich als Froschkönigin den „prince charmant“ zu erobern, um dem familiären Umfeld zu entrinnen. Unter den Kindern dieser Familie herrschte eine unbarmherzige Konkurrenz. Jede und jeder versuchte, sich gegenseitig mit hinterlistigen Ränken auszubooten, um die Gunst der Eltern zu erhaschen und damit zu einem materiellen Vorteil zu kommen. Die Knaben prügelten sich blutig, während die Mädchen sich mit raffinierteren Methoden bekämpften. So lösten sie Maschen in der Strickarbeit der älteren Schwestern, zerschnitten die halbfertig genähten Kleidchen oder drückten die Augen in den Kopf der Lieblingspuppe des fetten Fröschleins. Dieses rannte laut heulend zum Vater und bezichtigte die Nummer XVII der Missetat. Der Vater, dumm, dick und autoritätsgläubig, züchtigte seine drittletzte Tochter mit derartigen Kopfnüssen, dass sie von da an ein Leben lang schielte. Die Nummer XIII tröstete er damit, dass die Lieblingspuppe nun eben blind sei und empfahl ihr, die Barbiepuppe der Nummer III zu klauen und gut zu verstecken.
Das kleine fette Fröschlein wurde gross und noch fetter. Die harte Lebensschule in Kindheit und Jugend hatte es gelehrt, sein Fett immer wieder zu äufnen, um die Fülle wie einen Panzer vor sich her zu tragen und der Umwelt zuzurufen: „Gegen mich hast du keine Chance, ich bin unverwundbar“. Seiner Aggressivität stellte es die angeborene Gehschwäche gegenüber. So schwankte sein Gegenüber zwischen Angst und Mitleid. Diese Mischung nützte die nun erwachsene Fröschin weidlich aus. Den ihr genehmen und ausnutzbaren Mittieren schmeichelte sie, die anderen bootete sie mit hinterlistigen Intrigen aus. Sie war schlau wie eine Füchsin und brachte es im Leben und im Beruf weit.
Als es nun darum ging, sich ihres Froschtums endlich zu entledigen, schmiedete sie trickreiche Pläne. Da es zu ihrer Zeit keine Königssöhne mehr gab, fiel ihre Wahl auf den Sohn eines Bundesrats. Dieser hatte zwar den Ruf eines Einfaltspinsels, doch da er adrett aussah, war er häufig zu Gast in den Medien. Das würde auf sie abfärben, dachte sie. Also begann sie, ihn zu umgarnen. Erschien sein Bild in einem People-Magazin, schrieb sie sich als seine Followerin auf Facebook ein und erinnerte ihn an seine Pflicht, sich als Bundesratssohn um arme, aber patriotisch gesinnte Mitmenschen zu kümmern.
Über Facebook wechselten die Froschfrau und der Bundesratssohn Messages. Immer dringend werdende Bitten um ein Bild von ihr, übersah sie geflissentlich. Endlich kam ein Date zustande. Sie verabredeten sich im grössten Pornokino der Stadt, und zwar in einem Séparé. Die Fröschin hüpfte kostenlos unter Kasse und Schranke durch und schlich im dunklen Saal ins Séparé. Sie sprang hoffnungsvoll auf den Schoss des Bundesratssohn. Sein Abscheu vor der schleimigen und kalten Froschkönigin war derart, dass er sie mit den Oberschenkeln gegen den Fernsehschirm schleuderte, wo sie zerbarst. Die Pornoszene auf dem Bildschirm verwandelte sich in ein surrealistisches Gemälde: Gelbes Fett rann buttersäurig über den Bildschirm, schwarzes, übelriechendes Blut spritzte darauf und überschwemmte den Fussboden des Séparés. Der Bundesratssohn wurde erst bleich, dann grün im Gesicht, er sank auf die Knie inmitten der sich ausbreitenden Pfütze und erbrach sich mit gurgelnden Geräuschen. Es stank nach Bätzi und Militärkäseschnitten. Er konnte nicht aufhören zu erbrechen und lag aus Erschöpfung kopfüber in der stinkenden Brühe.
Die Froschkönigin hatte sich durch den Aufprall gegen den Fernsehschirm in eine unattraktive jüngere Frau verwandelt, die sich, ebenfalls in der Pfütze stehend, mit ihren kurzen strammen Beinen aus der Froschhülle zu befreien suchte. Es gelang ihr, unbemerkt aus dem Kino zu verschwinden.
Die Medien berichteten über den Tod des Bundesratssohnes, ohne jedoch auf Details einzugehen. Lediglich eine Lokalzeitung erwähnte in ihrem Bericht eine Frau, die möglicherweise die einzige Zeugin des Unfalls gewesen sein könnte.
(Jede Ähnlichkeit mit lebenden Fröschen und Menschen ist rein zufällig)