Die übliche Ausrede: Kriege gibt es seit Menschengedenken. Im Fall bewaffneter Konflikte schützt das humanitäre Völkerrecht Zivilpersonen sowie bestimmte Objekte und Einrichtungen. Zudem schränkt es die Mittel der Kriegsführung ein und verbietet gewisse Waffen.
Das humanitäre Völkerrecht schützt nicht etwa Menschen vor Kriegen, sondern vor festgelegten Kriegshandlungen. Als ob es eine Rolle spielen würde, ob Menschen von Streubomben oder von Raketen getötet werden. Ist es nicht blanker Zynismus, dass es ein Recht zum Krieg gibt, wobei der Krieg „sauber“ sein muss, um nicht als Kriegsverbrechen zu gelten. Krieg ist doch per se ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Warum werden allfällige Kriegstreiber nicht schon beim Beginn der kriegerischen Auseinanderesetzungen vor ein Kriegsgericht gestellt?
Welches Recht gilt im Krieg? Das Kriegsrecht ist ein Teil des Völkerrechts. Es sind Verträge, in denen genau steht, wie sich alle, die gegeneinander Krieg führen, im Krieg zu verhalten haben. Früher hat der König eines Landes bestimmt, ob er gegen ein anderes Land Krieg führt, um seine Ziele durchzusetzen. Das nannte man „Kriegsfreiheit“.
Kriege und bewaffnete Konflikte haben für die betroffene Bevölkerung tragische Konsequenzen. Das humanitäre Völkerrecht (HVR) wird auch als «Kriegsvölkerrecht» oder «Recht des bewaffneten Konfliktes» bezeichnet. Es schützt Zivilpersonen, Verwundete, Kranke, Kriegsgefangene, Internierte, Schiffbrüchige sowie Sanitäts- und Seelsorgepersonal. Die Konfliktparteien müssen sie jederzeit menschlich und ohne Diskriminierung behandeln. Das heisst:
- Angriffe auf Zivilpersonen oder zivile Einrichtungen sind verboten.
- Pflege für Verwundete und Kranke muss gewährleistet werden.
- Gefangene müssen menschlich behandelt werden. Es müssen ihnen ordnungsgemässe Gerichtsverfahren ermöglicht werden.
Das HVR schützt auch zivile Einrichtungen und Objekte wie Spitäler und Ambulanzen, medizinisches Material und Hilfsgüter. Zudem sind auch wichtige Kulturgüter, zum Beispiel historische Denkmäler, Kunstwerke und Kultstätten durch das HVR geschützt. Das HVR verbietet es, Objekte und Anlagen zu zerstören, die für die Zivilbevölkerung lebensnotwendig sind (z.B. Trinkwasservorrichtungen). Auch dürfen keine Einrichtungen angegriffen werden, die gefährliche Elemente enthalten (z.B. Atomkraftwerke).
Das HVR schränkt zudem die Mittel und Methoden der Kriegsführung ein. Es verbietet Kampfmittel oder -methoden, die nicht unterscheiden zwischen Personen, die an Kampfhandlungen beteiligt sind (Kombattanten) und solchen, die nicht – oder nicht mehr – teilnehmen (Zivilpersonen oder Verwundete). Das HVR verbietet Waffen, die überflüssige Verletzungen oder unnötiges Leid verursachen. Auch Methoden, die ausgedehnte, lang anhaltende und schwere Schäden der Umwelt zur Folge haben, sind untersagt.
Das HVR schützt, verbietet, schränkt ein, untersagt … Lippenbekenntnisse, um nicht zu sagen Wünsche, von denen man weiss, dass sie bei Kriegshandlungen nicht respektiert werden. Warum gibt es ein humanitäres Völkerrecht, das weder humanitär noch völkerrechtlich ist?
Umfassende Regeln zu zulässigen Mitteln und Methoden der Kriegführung wurden erstmals mit der Haager Landkriegsordnung von 1899 und 1907 vertragsrechtlich vereinbart. Seitdem wurde dieser Bereich des humanitären Völkerrechts durch eine Reihe von Abkommen erweitert, die insbesondere den Einsatz bestimmter Waffensysteme verbieten. Die gegenwärtig massgeblichen Abkommen zu zulässigen Mitteln und Methoden der Kriegführung sind das Genfer Protokoll von 1925, die Zusatzprotokolle von 1977 zu den Genfer Abkommen, und in der Folge der Jahre Konventionen, Übereinkommen, Protokolle, ja, selbst ein Vebot der Heimtücke [sic!].Die Angehörigen der regulären Streitkräfte einer Konfliktpartei müssen eine Uniform oder zumindest erkennbare Abzeichen auf ihrer Kleidung tragen, die eine Identifikation als Soldat und eine Erkennung ihrer Zugehörigkeit ermöglichen. Das Tragen ziviler Kleidung, das Vortäuschen einer Verwundung, die Verwendung von Schutzzeichen oder das Führen der nationalen Kennzeichen einer gegnerischen Konfliktpartei oder eines neutralen Landes durch an den Kampfhandlungen beteiligte Kombattanten sind regelmässig als Perfidie verboten. Kriegslisten wie beispielsweise Tarnung, Scheinoperationen oder das Verbreiten von irreführenden strategischen oder taktischen Informationen sind hingegen erlaubt.
Was ist der Unterschied zwischen „Vortäuschen einer Verwundung“ und „Kriegslisten“ Eines ist eine „Perfidie“ und verboten, das andere „erlaubt“. Ein Militärjurist ist wohl nicht in der Lage ein Synonym zu erkennen.
Warum ziehen sich ukrainische Soldaten eigentlich nicht russische Uniformen über? Man stelle sich vor: Ein Land überfällt ein anderes. Die Angegriffenen tragen Uniformen der verschiedensten Länder und Epochen. Dürfen sie nach Kriegsrecht (auch so ein scheinheiliges Elaborat) beschossen werden? Müsste der Angriff gestoppt und die Militärrichter ihre Handbücher konsultieren, erfolglos? Wo bleibt nur der brave Soldat Schwejk? Warum mokiert sich die Welt nicht von Generation zu Generation über kriegerische Auseinandersetzungen? Auf dass endlich einmal eine Generation in Lachen ausbricht, wenn von Krieg die Rede ist? Siehe das Sprichwort: „Lächerlichkeit tötet“… .
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges begann die Entwicklung des Völkerstrafrechts durch eigenständige völkerrechtliche Abkommen und darauf basierende internationale Institutionen.Den Beginn markierte 1948 der Abschluss der Konvention „über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes“. Zwanzig Jahre später folgte die Konvention „über die Nichtanwendbarkeit der Verjährungsfrist auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, die auf Grund von Befürchtungen entstand, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht ermittelte Kriegsverbrecher des Zweiten Weltkrieges durch eine mögliche Verjährung einer Bestrafung entgehen könnten. Im Jahr 1991 nahm auf der Grundlage des Artikels 90 des Zusatzprotokolls vom 8. Juni 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 die internationale humanitäre Ermittlungskommission ihre Arbeit auf. Auch wenn die Arbeit der Kommission rein investigativer Natur ist, stellt sie als ständig bestehendes Ermittlungsorgan eine wichtige Grundlage für eine effektive Strafverfolgung von Kriegsverbrechen dar.
Die vier Genfer Konventionen von 1949 haben im Jahr 2006 als erste Abkommen in der Geschichte des Völkerrechts universelle Akzeptanz erlangt. Obwohl dies als Meilenstein in der Entwicklung des humanitären Völkerrechts gilt, ist es seit seiner Entstehung in allen Kriegen zum Teil massiv ignoriert worden. Die Geschichte des humanitären Völkerrechts hat zudem gezeigt, dass nahezu alle wichtigen Abkommen als Reaktion auf gravierende Missstände in vorherigen Kriegen abgeschlossen wurden, und dass es der Staatengemeinschaft selten gelungen ist, entscheidende Verbesserungen und Ergänzungen vorausschauend zu vereinbaren. Ähnlich unzureichend und zögerlich war in der Regel die Anpassung des humanitären Völkerrechts an neue Waffentechnologien oder grundlegende Veränderungen in der Kriegführung. Die meisten gegenwärtig relevanten Regelungen entstanden vor oder unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg unter der Annahme eines Krieges als räumlich und zeitlich begrenzte Auseinandersetzung zwischen den regulären Streitkräften verschiedener souveräner Staaten.
Und welchen Schutz hat die Zivilbevölkerung bei Bürgerkriegen und innerstaatlichen Konflikten? Ereignen sich dabei nicht humanitäre Katastrophen? Nichteinmischung. Gäbe es ein Weltgericht, das Sanktionen gegen jede kriegerische Auseinandersetzung verhängt, wäre die feige Neutralität obsolet. Die Richter dieses Weltgerichts müssten Repräsentanten aller Weltreligionen und aller Kontinente (je nach Grösse des Kontinents) sein.
Durch die Verabschiedung, Verbreitung und Anwendung des humanitären Völkerrecht wurde und wird versucht, im intuitiv oftmals als rechtsfrei empfundenem Zustand des Krieges in verschiedenen Bereichen Regeln aufzustellen, durch die ein Minimum an Schutz realisiert werden soll. Der mehrheitlich als wenig überzeugend angesehene Vorwurf, das humanitäre Völkerrecht mache Kriege erträglicher und damit wahrscheinlicher, indem es die Vorstellung von der Möglichkeit eines „sauberen“ beziehungsweise „menschlichen“ Krieges erzeuge.
Steht das humanitäre Völkerrecht Gevatter bei der Vorstellung eines „sauberen, menschlichen“ Krieges? Welch ein Zynismus! Da debattierten die klügsten Köpfe Europas über Kriegsverbrechen, anstatt alle bewaffneten Konflikte als Kriegsverbrechen zu dekretieren.