8. September 2020 Doris Schöni 0Comment

Es gibt Redewendungen, die wegen des häufigen Gebrauchs zu elenden Klischees verkommen. Aber sie werden immer und immer wieder ausgesprochen, dass einem direkt übel wird, weil sie falsch sind wie zum Beispiel das vielbeschworene „Bauchgefühl“. Ebenso die „Schmetterlinge im Bauch“, die man sich besser nicht vorstellt und die bombastisch klingenden „Nägel mit Köpfen“, die gerne von Politikern und Wirtschaftskapitänen in die Runde geworfen werden.

Bei Vorträgen rief der inzwischen verstorbene Hirnforscher Prof. Norbert Herschkowitz in den Saal: „Das Bauchgefühl gibt es nicht“. Das „Bauchgefühl“, das heute so oft erwähnt wird, habe, so Professor Herschkowitz, nichts mit dem Bauch zu tun, da Denken und Fühlen in dieselbe Richtung gehen.Die Hypothese der somatischen Marker ist eine Theorie der Neurobiologie über menschliches Entscheidungsverhalten. Anstatt den abgegriffenen Begriff „Bauchgefühl“ sollte man eher jenen der „Intuition“ benützen.

Die „Schmetterlinge im Bauch“ rühren viele Menschen zu Tränen. Sie bedeuten (nicht ganz zutreffend) Verliebtheit, junge Verliebtheit, derartige Verliebtheit, dass es im Bauch kribbelt. Als tummelten sich dort tausende von flügelschlagenden Schmetterlingen. Es ist zu bezweifeln, dass alle Verliebten ihre Gefühle für Schmetterlinge halten; die Metapher ist daher fragwürdig.

Diese Redewendung stammt von der amerikanischen Schriftstellerin Florence Converse (18711967), die 1908 mit ihrem Buch „House of Prayer“ die „butterflies in the Stomach“ erfand und weltweit bekannt machte. Allerdings ging es ihr dabei nicht um Verliebtheit, sondern um eine Art Lampenfieber.

Nägel mit Köpfen: Nägel wurden früher nicht industriell hergestellt, sondern einzeln vom Nagelschmied geschmiedet. Bei ungeschicktem Arbeiten entstanden auch Nägel ohne Köpfe, die als minderwertig betrachtet wurden, während Nägel mit Köpfen als Produkt professioneller Arbeit galten. „Nägel mit Köpfen“ werden aber sprichwörtlich nicht nur von Handwerkern gemacht und verwendet. Jeder, der eine Sache anpackt und durchziehen will, der macht Nägel mit Köpfen – er macht alles richtig und führt sein Projekt zu einem guten Ende. Die Redewendung passt also für die Tüchtigen und Perfektionisten, die weniger geschickten Menschen hauen die Nägel krumm, brechen sie ab oder köpfen sie. Für die Handwerks- und Geschäftswelt zählen nur Menschen, die Nägel – konkret oder abstrakt – mit Köpfen zustande bringen.

Solange die Menschen alles nachplappern, was andere vorplappern, kritiklos nachäffen, sobald eine Redewendung in den Mainstream kommt, wird die Sprache noch ärmer und entfremdeter.

 

 

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