Paul Averhoff war einst ein grosser Marathonläufer. Eine Legende, ein Sieger, ein Vorbild. Der Gewinner der Goldmedaille in Melbourne 1956. Lang ist es her. Jetzt ist Paul bald 80 und seine Frau Margot gebrechlich. Da Margot immer wieder und aus heiterem Himmel stürzt, besteht Tochter Birgit darauf, dass Papa und Mama ihr vertrautes Zuhause verlassen und ins Altersheim ziehen. Für die Beiden der Horror. Gesangsstunde, Mittagessen. Bastelstunde, Abendessen. Sonntagsandacht, Halleluja. Das kann es nicht gewesen sein, denkt sich Paul und schnürt die Laufschuhe. Sein letztes Rennen hat begonnen (Bernhard Koellisch, 2014). „Wer stehen bleibt, hat schon verloren“ ist des Protagonisten…
Fechten ist eine Randsportart. Es haftet ihm das Image eines Sports für „Mehrbessere“ an, was wohl aus seiner Geschichte herrührt, aber falsch ist, denn das Betreiben dieses Sports ist günstiger als zum Beispiel Skifahren. Es gibt von internationaler und nationaler Verbandsseite Bemühungen, das Fechten etwas publikumsnäher (slowmotion an Fernsehübertragungen) zu gestalten, ein mühevolles Bestreben, denn für das Massenpublikum zählt nur der Massensport, abgesehen davon. dass man die Gesichter der Sportler nicht sehe und überhaupt die Fechtaktionen viel zu schnell und unverständlich seien. Am Wochenende spielte sich in Bern das traditionelle Degen-Weltcupturnier „Grand Prix de Berne“ ab, in der Stärke vergleichbar…
Mit 92 Jahren hat Stéphane Hessel (1917-2013) das Pamphlet „Indignez-vous!“ verfasst und wurde damit weltbekannt. Der Autor hat das Konzentrationslager von Buchenwald überlebt, war französischer Botschafter und die „Frankfurter Allgemeine“ nannte ihn einen „Weltbürger, der sich für die Obdachlosen, Ausgeschlossenen, Eingewanderten“ engagierte. Die letzte Sequenz in einem Arte-Beitrag (15. Oktober 2017) zeigt den alten, distinguierten Herrn zu einer valse musette tanzend in Paris. Stéphane Hessel hat das Alter Lügen gestraft. Trotz seiner 92 Jahren begeisterte er, “ lässig, gebildet und mit ironischem Understatement“, die Jugend. Er hatte den Mut, sich aufzulehnen und zur Auflehnung aufzurufen. Von seinem Mut, seiner Lebendigkeit…
Sie begegnen sich auf der Brücke des Krebsenbächleins. Ihre Hunde beschnuppern sich. Der eine ist weiss, der andere schwarz-weiss. Ursula: Wie gehts? Sie: Hundsmiserabel. Ursula: Unseren Hunden gehts gut. Sie: Ja, denen geht es bestens. Ursula: Und warum geht es dir hundsmiserabel? Sie: Das weisst du ja. Wir haben bereits darüber gesprochen. Ursula: Du bist selber schuld. Warum hast du das andere Dorf vernachlässigt? Sie: Habe ich nicht. Über jede noch so mittelmässige Ausstellung habe ich geschrieben. Ursula: Mittelmässig? Sie: Untermittelmässig. Manchmal unteruntermittelmässig. Ursula: Du misst mit den Ellen des anderen Dorfes. Sie: Und? Ursula: Du kommst eben aus dem…
Es ist zum Auswachsen: Wie kommt der Blog, das heisst dessen Mitarbeiter, dazu, Zensuren für die „Lesbarkeit“ zu erteilen? Ständig wird man beim Schreiben darauf aufmerksam gemacht, ob die „Lesbarkeit“ O.K. oder verbesserungsbedürfig ist. Wer sind diese anonymen Besserwisser? Sind sie ausgebildet oder benoten sie nach Lust und Laune? Haben die Blog-Verfasser einen schreibenden Beruf, sind in Orthographie, Interpunktion, Morphologie also bewandert, ist es besonders ärgerlich, wenn nach irgend einem mysteriösen Schema, das wohl Fremdwörtern abhold ist, be- und geurteilt wird. Werfen Sie doch bitte diese rot-orange-grüne Ampel auf den Müll, Ihre Zensuren sind überflüssig und diskriminierend. P.S. Dieser Text…
Der Bericht „Liebe – gibt es sie?“ betraf die Liebesnöte älterer Männer. Und jene älterer Frauen? fragte ein älterer Leser. Der Unterschied zwischen Männern und Frauen in der späten Liebe besteht darin, dass die reifen Frauen ein anderes Verhältnis zu ihrem Körper haben. Sie vergleichen zwischen vorher und nachher, das heisst, sie sehen sich realistischer und leiden unter den altersbedingten Veränderungen. Vielfach empfinden sie Scham über die Schlaffheit des Fleisches. Waren sie als jung freizügig, ihre Körper zur Schau zu stellen, so entwickeln sie mit zunehmendem Alter eine Art Prüderie, oder besser: Dezenz. Diese geht den meisten älteren Männern völlig…
In nächster Umgebung leiden einige Menschen an der Liebe. In den meisten Fällen handelt es sich um Männer zwischen 60 und 70. Einer träumt von der Leidenschaft zwischen ihm und seiner Freundin wie sie vor 30 Jahren war. Ein anderer wirbt seit vielen Jahren um die Liebe einer Frau, die sie nicht geben kann, weil sie keine zu geben hat. Dass eine Leidenschaft von begrenzter Dauer ist, sollte einem 70-Jährigen bekannt sein. Warum kann er nicht akzeptieren, dass sich die leidenschaftliche Liebe im Laufe der Jahre wandelt, zu einer Freundschaft wird und auf einer viel stabileren Basis steht als zuvor?…
… als wir nachmittags Brownies buken? Einen Browniekuchen, dem wir einen ganzen Stängel Gras beifügten. Stängel aus dem Growland, als dieses noch nicht geschlossen worden war. An Samstagnachmittagen war dort Betrieb wie an den Champs-élysées. Die Auswahl war gross, man bekam alles, was man sich auch wünschen mochte. Es herrschte eine friedliche Atmosphäre. Kein Gerangel, niemand preschte zum Nachteil anderer nach vorne. Ja, die Kasse klingelte. Aber sie klingelt auch, wenn Wein eingekauft wird. Den Kuchen schnitten wir in Stücke, die wir in Plastikbeutel versorgten und dann tieffroren. Die Beutel teilten wir brüderlich. Weisst du noch, als wir nach dem…
… im rosenroten Bademantel, aus dem das Nachthemd zipfelt. Sie möchte auf die Toilette. „Aber dort waren Sie ja gerade“, wirft ein Pfleger ein.“Hallo, hallo, ich will auf die Toilette“. Man führt sie hin. Nun kommt ein eleganter Herr mit Rollator etwas zu spät – es ist 17.30 – zum Abendessen. Er bleibt stehen und fragt: „Sie Sie sein Schätzeli?“ „Nein, ich bin seine Schwägerin“. „Ach so, er ist ihre Schwägerin.“ „Nein, er ist mein Schwager“. „Jaja“, antwortet der elegante Mann, „seine Frau. Die hat es gar nicht leicht“ und stolpert an seinen Platz. „Hallo – hallihallo“, der rosenrote Bademantel…
Es gibt Menschen, die bringen es nicht übers Herz oder über ihren Geist, sich zu entschuldigen. Sie fühlen sich im Recht, haben immer recht und beharren auf ihrem Recht. Begangene Fehler einzugestehen braucht eine gewisse Grösse. Die Grösse, sich in Frage zu stellen. Die schöne Geschichte begann mit einem Zwist. Ohne zu überlegen bedachte eine Frau einen Mann mit einem Vorwurf. Der Vorwurf entsprach der Wirklichkeit. Doch der Augenblick, ihn zu äussern, war denkbar schlecht gewählt. Die Äusserung geschah nicht unter vier Augen, sondern im Beisein anderer Menschen. Der Mann reagierte empört. Er drohte mit allerhand Konsequenzen, die nicht nur…