Sie begegnen sich auf der Brücke des Krebsenbächleins. Ihre Hunde beschnuppern sich. Der eine ist weiss, der andere schwarz-weiss.
Ursula: Wie gehts?
Sie: Hundsmiserabel.
Ursula: Unseren Hunden gehts gut.
Sie: Ja, denen geht es bestens.
Ursula: Und warum geht es dir hundsmiserabel?
Sie: Das weisst du ja. Wir haben bereits darüber gesprochen.
Ursula: Du bist selber schuld. Warum hast du das andere Dorf vernachlässigt?
Sie: Habe ich nicht. Über jede noch so mittelmässige Ausstellung habe ich geschrieben.
Ursula: Mittelmässig?
Sie: Untermittelmässig. Manchmal unteruntermittelmässig.
Ursula: Du misst mit den Ellen des anderen Dorfes.
Sie: Und?
Ursula: Du kommst eben aus dem anderen Dorf. Dem nobleren.
Sie: Das ist doch Unfug. Es gibt keine Unterschiede mehr.
Ursula: Doch. Die gibt es noch immer. Dein Nachfolger kommt aus dem anderen Dorf.
Sie: Ja. Das merkt man.
Ursula: Also doch einen Unterschied.
Sie: Ich habe selber fast zehn Jahre im anderen Dorf gelebt.
Ursula: Dann kennst du ja den Unterschied.
Sie: Das war vor dreissig Jahren. Ich habe damals einen Kollegen von mir, der im, wie du sagst, nobleren Dorf wohnte, gefragt, warum die Bibliothek in meinem und nicht seinem Dorf untergebracht war. Er antwortete, in seinem Dorf besässen die Bewohner Bücher.
Ursula: Wer war das?
Sie: Er lebt nicht mehr. Er war ein Abkömmling eines Patriziergeschlechts.
Ursula: Gehörst du auch zu dieser Clique?
Sie: Nein. Oder ja. Sie hat mich geprägt. Vor allem sprachlich. Und bildungspolitisch.
Ursula: Deshalb glaubst du, dein Nachfolger sei deiner nicht würdig?
Sie: Es geht nicht um Würde, es geht um Können und Wissen.
Ursula: Was bist du doch eingebildet!
Sie: Ja. Deshalb lebe ich auch im nobleren Dorf.