Mehr Sorgen als die gesundheitlichen Auswirkungen des Coronavirus bereiten dem Epidemiologen Marcel Salathé die gesellschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie.
An der Frage „Impfen“ oder „nicht Impfen“ zerbrechen selbst langjährige Freundschaften. Wegen derselben Frage geraten sich Familien in die Haare. Die schweizerische Gesellschaft sei zweigeteilt in Impfbefürworter und Impfgegner, moniert Salathé auf Bluewin News.
Der ehemalige FDP-Bundesrat Pascal Couchepin appelliert seinerseits in einem Interview mit der «Schweiz am Sonntag» zum 1. August daran, dass die Schweiz sich auf ihre Stärken besinnen und die Gemeinsamkeit wieder ins Zentrum rücken sollte. Es gelte, kontradiktorische Meinungen äussern zu können, ohne den anderen als Verräter oder weniger guten Patrioten zu verleumden. Nach dem Zeiten Weltkrieg hätten die Schweizerinnen und Schweizer kontroverse Debatten geführt, ohne sich als Feinde zu betrachten. Den Grund für diesen Wandel sieht Couchepin darin, dass die Probleme in der heutigen Welt komplexer geworden sind. Es sei schwieriger Zusammenhänge zu verstehen. In solchen Situationen neige man dazu, die eigene Meinung als Wahrheit zu betrachten.
Was hat Impfen oder nicht mit Patriotismus zu tun? Werden einmal mehr die nicht informierten Bürger mit der Feststellung, die Probleme der Welt seien komplexer geworden, entschuldigt? Komplexer sind auch die informatorischen Errungenschaften geworden, aber diese werden – mit Ausnahme der älteren Semester – glänzend verstanden und ausgiebig angewendet. Heisst das, dass sich „die Welt“ technisch ausserordentlich entwickelt hat, nicht aber geistig? Zeitungsartikel genügten, um zu verstehen, dass es nicht um Patriotismus, sondern um Solidarität unter den Menschen geht, damit sich die Pandemie – voraussichtlich – verabschiedet, wenn die „Herdenimmunität“ (schrecklicher Begriff) erreicht wird. Viele Impfgegner behaupten, die Impfstoffe seien zu schnell entwickelt worden, im Normalfall würden Forschung und Herstellung Jahre benötigen. Man konnte jedoch auch in den Medien erfahren, dass der Herstellung von Impfstoffen heute andere, viel schnellere Methoden zur Verfügung stehen.
Und dann gibt es noch die Verschwörungstheoretiker, die fest daran glauben, dass Bill Gates in den Impfstoff einen Chip geschmuggelt habe, damit die ganze Welt nur noch Microsoft-Produkte kaufe, die Sekten-Anhänger und die „Gottähnlichen“, die – auch ältere Personen – überzeugt sind, eine „höhere Macht“ werde sie vor dem Virus bewahren. Diese Impfgegner sollten dann nicht die Ersten sein, die bei einem Lockdown losschreien.
Einmal mehr kann man beobachten: Wenn die Probleme der Welt nun wirklich komplexer geworden sind, verschliesst sich offensichtlich die Denkfähigkeit der Menschen, die sich mit unwissenschaftlichen und sinistern Informationen aus der Verantwortung schleichen.