7. April 2021 Doris Schöni 2Comment

Angelika: Bist du in einem Verein?

Adrian: Ja, in mehreren.

Angelika: Warum?

Adrian: Ja, was soll ich sagen? Alle Schweizer befinden sich in Vereinen.

Angelika: Warum?

Adrian: Frag nicht so blöd. So ist es einfach.

Angelika: Aber es muss doch einen Grund dafür geben.

Adrian: Ja, weisst du. Es ist wie im Militär. Man lernt Leute kennen. Es gibt einen gemeinsamen Zweck. Regeln sind verbindlich und müssen eingehalten werden …

Angelika: Braucht der Mensch Regeln?

Adrian: Ohne Regeln würde Chaos herrschen.

Angelika: Ja und?

Adrian: Chaos ist Unordnung, Verbrechen, Zügellosigkeit, falsch verstandene Freiheit, Verantwortungslosigkeit. Stell dir vor, jeder macht, was er will.

Angelika: Klar, wo kämen wir denn hin? Ohne Ordnung geht die Welt unter, aber ohne Unordnung ebenfalls …

Adrian: Sei doch still! Du bist doch auch froh über Ordnung und Sicherheit, die dieses Land schützen. Die Vereine sind Keimzellen des Staates wie im Übrigen die Familien.

Angelika: O je, diese egoistischen Keimzellen der Macht. Die Psychologin Alice Miller nennt ihre Praxis „schwarze Pädagogik“.

Adrian: Was haben Vereine mit Psychologie zu tun?

Angelika: Wenn sie sich damit befassen würden, wären sie demokratischer, liberaler und hätten keine Statuten, an denen sie sich festhalten müssen.

Adrian: Quatsch!

Angelika: Eine Institution des antiken römischen Vereinswesens wurde Collegium genannt. Bei den collegia handelte sich um nichtstaatliche Zusammenschlüsse, die allerdings oft aufgrund ihrer Aufgaben einen öffentlich-rechtlichen Charakter hatten. Die heutigen Vereine sind doch lediglich ein Abklatsch dieser Institutionen.

Adrian: Runzelt die Stirn.

Angelika: In der römischen Frühzeit war die Bildung der Vereine frei und erfolgte schlicht durch den Zusammenschluss interessierter Personen. Mit dem Zwölftafelgesetz wurde festgeschrieben, dass ein collegium sich eine beliebige Satzung geben darf, solange diese nicht gegen geltendes Recht verstösst. 64 v. Chr. wurden alle politisch verdächtigen Vereine verboten, 58 v. Chr. das entsprechende Gesetz wieder aufgehoben, aber zwei Jahre später schliesslich alle politischen Vereine verboten. Hintergrund war, dass sich unter ihrem Deckmantel die politischen Parteien dieser Zeit organisierten, Wählerbestechungen durchführten oder offene Gewalt anwendeten.

Adrian: Zweifelnd

Angelika: Die inneren Angelegenheiten waren in der Regel dem Verein selbst überlassen. Die wesentlichen Bestimmungen zur Aufnahme sowie den Rechten und Pflichten von Mitgliedern wie auch zur juristischen Vertretung der Organisation wurden in einer Satzung (lex collegii) festgeschrieben. Wenn die Zahl der Mitglieder unter drei sank, galt ein collegium als aufgelöst  Dies hatte den Hintergrund, dass ein collegium schon wortgemäss nur aus mindestens zwei Personen bestehen konnte, es bei einer Abstimmung zur Vermeidung einer Patt-Situation aber einer ungeraden Mitgliederanzahl bedarf, sodass die kleinste ungerade Mitgliederanzahl bei drei Personen liegen musste. Nicht selten konnten auch  Frauen und Sklaven Mitglieder werden.

Adrian: Wir haben doch im Augenblick dieselbe Situation in unserem Verein und …

Angelika: Frag doch deine römischen collegia um Rat (spöttisch).

Adrian: Nein, ich frage unseren Juristen.

Angelika: Erfahrungsgemäss erhältst du von diesem keinen Ratschlag, er ist völlig desinteressiert.

Adrian: Wenn du weiterhin Vereinsmitglieder derart verunglimpfst, beantrage ich deinen Ausschluss.

Angelika: Darf ich vielleicht als Sklavin Mitglied des Vereins bleiben?

Adrian: Du bist für Chaos, gegen Regeln, für Demokratie: Das ist zu viel Negatives. Du schadest dem Verein mit deinen Forderungen nach Basisdemokratie, Abschaffung der Statuten, Abschaffen des Präsidiums, gleicher Vergütung für alle, Neudefinition des Vereinzwecks, Alkoholverbot während der Arbeitszeit, höflichem Umgang untereinander und mehr Kultur. Du schaffst nur Unruhe. Deshalb: Du kannst auch einfach austreten.

Angelika: Aus welchem Verein?

 

 

 

2 thoughts on “Adrian und Angelika: Eine Burleske

  1. Liebe Angelika
    Du verlangst Basisdemokratie, gleiche Vergütung für alle,……aber du beanspruchst für dich das Recht alleine in einem grossen Haus zu leben und als privat Versicherte im Spital bevorzugt behandelt zu werden……Wasser predigen und Wein trinken !
    Gründe doch deinen Idealverein, anstatt scheinheilige Theorien zu verbreiten…

  2. Lieber Chris,
    Nicht jedermann hat das Glück, im Einfamilienhaus seiner Gefährtin zu minimalen Bedingungen zu leben. So muss ich eben den vollen Preis für meine Schrulle – ein Haus für mich und meinen Hund allein zu bewohnen – bezahlen. Scheinheilig? Scheinheilig ist, Privates mit Öffentlichem zu vermischen. Merke: Adrian und Angelika gehören ins Reich der Fiktion. Und in der Fiktion ist alles möglich, auch Absurdes.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert