Die Schweizer sind keine Lóbhudler. Sie sind oft zu verklemmt, um eine andere Person mit Lob zu überschütten. Die Lobknappheit beginnt schon in der Kindheit. Während die italienische Mamma ihrem Nachwuchs zujubelt „bravo Gianni. Molto bene, bravo, bravo… „, obwohl Giannis Sandburg in sich zusammen gefallen ist, mäkelt die Schweizer Mutter am eben gemalten Bild ihrer Tochter herum, so dass das Mädchen die Stifte in den Sand pfeffert; dann schwemmen seine Tränen Salz ins Mittelmeerwasser. In der Schule geht die Lobkargheit weiter. Als die Lehrer uns noch duzten, wurde den Schülern gebetsmühlemässig eingetrichtert: „Es ist recht. Aber du könntest es…
Haben Sie sich je vorgestellt, eine andere oder ein anderer zu sein? Wäre es Ihnen möglich, in eine andere Haut zu schlüpfen und sich in deren oder dessen Gedanken zu versetzen? Es müsste ein Abenteuer ohnegleichen sein. Kleine Kinder verkleiden sich gerne, sie sind auf der Suche nach ihrer Identität. Auch erwachsene Menschen ziehen sich an Veranstaltungen wie Fasnacht oder Bällen Masken über und schlüpfen dabei in die Haut eines anderen Menschen. Von Natur aus ängstlich und zurückhaltend, verhilft ihnen die Verkleidung zur Überwindung ihrer Scheu, so dass sie es zum Beispiel wagen, ihren Unmut auszusprechen – in der Rolle…
Stephan Beinl, geboren 1902, war von 1946–53 Oberspielleiter der Oper, danach bis 1958 Direktor am Stadttheater Bern. Warum mein Vater mit ihm befreundet war, entzieht sich meiner Kenntnis. Zu jener Zeit war es (in bürgerlichen Kreisen) nicht üblich, Protagonisten aus dem Theatermilieu zu seinen Freunden zu zählen. Mein Vater hatte eine grosse Affinität zu Künstlern, was sich vor allem in seinen späten Jahren zeigte, als er in der Altstadt lebte und vornehmlich mit Kunstmalern Kontakt pflegte. Wir trafen Stephan Beinl beim Zytglogge. Er küsste die Hand meiner Mutter, dann meine, bevor er meinem Vater die Hand reichte. Ich war damals…